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Politische Zechprellerei

Für das Betreuungsgeld hatte der Bund rund eine Milliarde Euro eingeplant. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist man uneins, was mit dem Geld geschehen soll. Nur eins scheint sicher: Gespart werden soll nicht.

Auch auf Ausgaben für Leistungen, die man politisch immer bekämpft hat, kann man Ansprüche erheben. Das belegen derzeit diverse Landesregierungen, vornehmlich Rot-Grüne, aber nicht nur sie. Das Bundesverfassungsgericht beerdigt das Betreuungsgeld, weil der Bund dafür nicht zuständig ist. Schon wollen die Länder an die dafür im Bundeshaushalt vorgesehenen Finanzmittel (immerhin 1000 Millionen Euro) ran wie die Mäuse an den Speck. Ich nenne das politische Zechprellerei. Wenn die Landespolitik in ihrem gesetzgeberischen   Zuständigkeitsbereich – zurecht hat das Bundesverfassungsgericht uns alle daran erinnert, dass Deutschland ein Föderal- und kein Zentralstaat ist – ihren Bürgern soziale Leistungen verspricht, dann soll sie die Zeche selbstverständlich aus dem jeweiligen Landeshaushalt bezahlen. Wer bestellt, bezahlt! lautet ein vertrautes Alltagscredo, das aber in der Politik systematisch unterlaufen wird.

Ich will hier nicht über Sinn und Unsinn des Betreuungsgelds räsonieren, sondern eine Lanze brechen für mehr Verantwortung in der Politik. Voraussetzung für eine Politik, die für die Konsequenzen des eigenen Handelns einsteht, ist zuallererst Kostentransparenz. Wenn der Gesetzgeber neue Aufgaben übernimmt, bedeutet das immer auch zusätzliche Ausgaben. In Wahlkämpfen werden regelmäßig neue Leistungen der Stadt, des Landes oder des Bundes versprochen. Politische Parteien lassen sich – Staatsverschuldung hin oder her – auf keiner Ebene in ihren Wünsch-Dir-Was-Programmen bremsen. Und wir Wählerinnen und Wähler spielen dieses Spiel doch nur allzugern mit. Oder haben Sie schon einmal Parteien gewählt, die Ihnen Einschnitte bei sozialen Leistungen oder höhere Steuern und Abgaben zur Finanzierung ihrer Wahlprogramme „versprochen“ haben? Sofern es solche Parteien überhaupt je gab!

Verantwortung und Haftung sind grundlegende Ordnungsprinzipien in unserer Marktwirtschaft. Und selbst dort werden sie nicht konsequent gepflegt, wenn man sich die schamlose Enthaftung von großen Finanzmarktakteuren durch die Steuerzahler vor Augen führt. Auch und gerade für die Politik muss dieses Haftungsprinzip gelten. Am besten lässt es sich in einem Föderalstaat durchsetzen, in dem die Verantwortlichkeiten klar aufgeteilt sind. Dann muss eine bayerische CSU ihr Betreuungsgeld aus dem Landeshaushalt Bayern bezahlen. Dann kann man sich nicht beim Bund schadlos halten.

In einem funktionierenden Föderalstaat hätten sich alle Ebenen zurückzuhalten: Der Bund, weil er nicht immer neue Aufgaben an sich ziehen oder alles en Detail regeln will. Und weil er das Konnexitätsgebot des Grundgesetzes ernst nimmt und der Aufgabenübertragung auch die notwendigen Finanzmittel für Länder und Kommunen folgen lässt.

Die Länder, weil sie sich endlich auch zu mehr eigener Steuerhoheit bekennen. Die Scheu vor politischer Verantwortung manifestiert sich für mich in der geradezu panischen Ablehnung von mehr Steuerautonomie, die deshalb in den derzeitigen Verhandlungen über den Bund-Länder-Finanzausgleich nicht mehr auf der Tagesordnung steht.

Die Kommunen, weil sie im Zweifel lieber an der Klagemauer stehen und Bund und Länder für ihre Finanzmisere verantwortlich machen, statt in ihrem Einflussbereich auf einen effizienten Mitteleinsatz und schlankere Verwaltungen zu achten.

Und nicht zuletzt wir, das Volk, der eigentliche Souverän im demokratischen Rechtsstaat: Auch wir dürfen uns keinen schlanken Fuß machen, indem wir von der Politik (vulgo: dem Staat) immer mehr Leistungen einfordern, aber die Zeche nicht bezahlen wollen. Die systematische und kollektive Zechprellerei mündet zielsicher im Staatsbankrott. Beispiele dafür existieren dutzendfach in der Wirtschaftsgeschichte.

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