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Nachhaltigkeit als Verfassungsprinzip: Warum wir eine Grundgesetzänderung brauchen

Nachhaltigkeit in der Politik ist inzwischen zu einer allgegenwärtigen Forderung und zu einem ungeschriebenen Gütesiegel „guter“ Politik geworden. Zum Teil ist das Prinzip bereits im Grundgesetz verankert, in Form der Schuldenbremse in Artikel 109 Abs. 2 als auch für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in Artikel 20a. Was fehlt ist die sozialpolitische Dimension von Nachhaltigkeit. Die Politik kann etwa in den Sozialversicherungen milliardenschwere Ausgaben beschließen, die von zukünftigen Generationen finanziert werden müssen. Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier fordert in dem Gutachten "Nachhaltigkeit als Verfassungsprinzip" die Einführung eines umfassenden Nachhaltigkeitsziels im Grundgesetz. Lesen Sie im Folgenden die Zusammenfassung seine Gutachtens (Download des gesamten Gutachtens).

Es wird vorgeschlagen, das Grundgesetz im Art. 20 GG wie folgt zu ergänzen:

Art. 20 Abs. 3a:

Die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung berücksichtigen das Ziel einer dauerhaften Befriedigung des Gemeinwohls und der Belange auch künftiger Generationen. 2 Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, werden für Bund und Länder gemeinsam geltende Maßstäbe für die Einhaltung der Pflicht nach Satz  festgelegt.

Die Vorsorge für die nachhaltige und dauerhafte Befriedigung von Gemeinschaftsinteressen sollte in der Verfassung ausdrücklich zur Aufgabe aller demokratisch legitimierten staatlichen Gewalten, insbesondere auch der Gesetzgebung, erklärt werden. Die demokratiestaatliche Aufgabe der nachhaltigen, dauerhaften Befriedigung von Gemeinschaftsinteressen ist nicht auf einzelne Sektoren der Politik zu begrenzen, etwa auf die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, wie es Art. 20a des Grundgesetzes bereits bestimmt, oder als sogenannte Schuldenbremse. Dieses verfassungsrechtliche Gebot sollte also nicht nur eine ökologische und eine finanzpolitische, sondern insbesondere auch eine sozialpolitische Dimension erhalten. Eine das Nachhaltigkeitsprinzip beinhaltende Grundgesetzergänzung sollte bei der Fundamentalnorm des Art. 20 GG ansetzen und nicht in der Aufnahme einer weiteren Zielbestimmung im Sinne eines neuen Art. 20b des Grundgesetzes bestehen. Vorgeschlagen wird nicht eine weitere Staatszielbestimmung, die neben den Art. 20a GG träte und möglicherweise zur Aufnahme weiterer Staatszielbestimmungen in das Grundgesetz anregte. Eine Überfrachtung des Grundgesetzes mit diversen Staatszielbestimmungen ist zu vermeiden. Die bewährte Stringenz und rechtliche Verbindlichkeit der grundgesetzlichen Verbürgungen könnten sonst insgesamt Schaden nehmen.

Mit dem hier unterbreiteten Vorschlag einer Ergänzung des Grundsatzes der rechtsstaatlichen Demokratie würde deutlich, dass es um eine sektorenübergreifende Bestimmung des Wesens der repräsentativen Demokratie und des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gestaltungsauftrags der vom Volk durch Wahlen legitimierten Verfassungsorgane geht.

Ein Gewinn an Rationalität, Kontinuität und Systemgerechtigkeit der Gesetzgebung kann erwartet werden. Das kann dazu beitragen, das Bürgervertrauen in die Funktionsfähigkeit der rechtsstaatlichen Demokratie und ihrer Organe zu stärken oder wiederzugewinnen. Auch aus politisch-ethischen Gesichtspunkten, aber auch aus edukatorischen Gründen und für das politische Bewusstsein in diesem Land ist es wichtig, das Verfassungsprinzip der Nachhaltigkeit ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern. Es gewönne damit nicht nur eine juristische Verbindlichkeit, sondern auch eine erhöhte politische Durchschlagskraft.

Außerdem empfiehlt es sich, neben dem materiellen Prinzip der Nachhaltigkeit auch eine diesbezügliche verfahrensmäßige Absicherung im Grundgesetz zu verankern. Diese sollte verlangen, dass der Gesetzgeber bereits im Gesetzgebungsverfahren die angemessene Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsprinzips darzulegen und zu begründen hat.

Hier mehr zum Vorschlag einer Grundgesetzänderung für mehr Nachhaltigkeit.

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