OrdnungspolitikTagged , , , ,

Unorthodox und knapp: Ökonomisches Wissen auf 200 Seiten

Als scheinbar Fachfremder ein Buch über das ABC der Wirtschaftswissenschaften zu schreiben kann ein Risiko sein. Nicht im Fall Christian Thielscher. Seine Perspektive als Quereinsteiger, nämlich als Arzt, ist durchaus konstruktiv. Denn ihm gelingt es, Kompliziertes leicht verständlich zu beschreiben und Struktur in die manchmal diffuse und oft vielschichtige Theorie der Wirtschaftswissenschaften zu bringen.

Schon die erste Auflage seines Buches war ein Wagnis, bekennt Christian Thielscher. Denn die verschiedenen Strömungen der Wirtschaftswissenschaften in einem Band zu erläutern und dabei doch Wesentliches zu übersehen war durchaus möglich – zumindest aus Sicht eingefleischter Ökonomen.

Thielschers wissenschaftliches Interesse ist allerdings vielseitig: Als Professor der Medizin, Doktor der Volkswirtschaft, Diplom-Volkswirt und Diplom-Kaufmann lehrt er Betriebswirtschaft und Medizinökonomie an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management. Anders als die erste Auflage enthält die nun erweiterte zweite Auflage seines Buches mit dem Titel „Wirtschaftswissenschaften verstehen – eine Einführung in ökonomisches Denken“ noch mehr Vorschläge zur Problemlösung und am Ende einen Gastbeitrag des „Netzwerk Plurale Ökonomik“.

Gestrüpp widersprüchlicher Terminologien

Thielschers Buch will VWL-Studenten und interessierten Laien einen ersten Zugang zu den Wirtschaftswissenschaften erleichtern. Aus diesem Grund fängt es mit grundsätzlichen Fragen an: Wie funktionieren Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaften? Wie gut sind ihre Modelle? Warum widersprechen sie sich manchmal? Oder auch: Warum haben die wenigsten Wissenschaftler die Finanzkrise vorhergesehen?

Dass die Theorie der Wirtschaftswissenschaften eher ein Konglomerat aus verschiedenen Ansätzen, Theorien und Anschauungen bildet, ist bekannt. Thielscher möchte deswegen, dass sich der Leser mit der Neufassung seines Buches „im Gestrüpp widersprüchlicher Terminologien und Lehrmeinungen“ besser zurechtfindet und „den Nutzen, aber auch die Grenzen ökonomischer Theorien“ leichter erkennen und beurteilen kann.

Auf schlanken 200 Seiten und im Husarenritt bespielt der Autor kurz und präzise sämtliche Themen der Wirtschaftswissenschaften und liefert die wichtigsten Theorien. Ein Schwerpunkt sind Begriffe, die sonst in Studium und Lehre gerne vernachlässigt werden: Macht und Gerechtigkeit in Bezug auf wirtschaftliches Handeln.

Für den Autor ist Gerechtigkeit immer auch an Macht gekoppelt: „Wer keine Macht hat, kann nicht gerecht sein.“ In kleinen Exkursen und Verweisen auf Geschichte und Mythologie (von Aristoteles, Hesiod, Platon, Thukydides bis Kant, Rousseau und Thomas Hobbes) behandelt er den Zusammenhang von Ethik und wirtschaftlichem Handeln genauso wie das Verhältnis von Wirtschaft, Religion und Wirtschaftswissenschaften.

Neben Buchführung, Rechnungswesen, ökonomischer Klassik, Makroökonomie und historischen Schulen (darunter Wilhelm Roscher, Ronald Coase, Georg A. Akerlof, Gustav von Schmoller, Thorstein Veblen) spielt für Thielscher auch das Thema „Management und Führung“ eine nicht zu unterschätzende Rolle. In der bisherigen Forschung reiche es „von ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Bemühungen über Kochbuchniveau bis hin zu blankem Unsinn“.

Fazit

Thielschers Kritik an den Wirtschaftswissenschaften wird nicht allen Lehrenden an den Universitäten gefallen. Dennoch ist sein für eine wissenschaftliche Studie temperamentvolles Buch eine gute Quelle nicht nur für Erstsemester, sondern auch für alle, die ihr Grundwissen schnell noch einmal auffrischen wollen.

Christian Thielscher: Wirtschaftswissenschaften verstehen – eine Einführung in ökonomisches Denken; aktualisierte und erweiterte Auflage, Gabler-Springer, Wiesbaden 2020.

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und abonnieren Sie unseren RSS-Feed sowie unseren Newsletter.