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Den Euro noch mal auf null stellen

Dass es den Euro noch gibt, grenzt für manche vielleicht an ein Wunder. Dass er dennoch scheitern wird, sind sich die drei Autoren sicher. Deswegen wollen sie ihn neu erschaffen und die Konstruktionsfehler der Vergangenheit vermeiden. Euro reloaded sozusagen. Ob das aber hilft, die wirtschaftlichen Unterschiede und damit die Spannungen in Europa zu überwinden, ist fraglich. Nicolaus Heinen, Jan Mallien, Florian Toncar: Alles auf Anfang – warum der Euro scheitert und wie ein Neustart gelingt. Campus Verlag Frankfurt am Main 2017

In der Theorie ist alles leicht. Den Autoren Nicolaus Heinen, Jan Mallien und Florian Toncar kann man allerdings nicht den Vorwurf machen, nur flotte Sprücheklopfer sein. In ihrem nun erschienenen Buch „Alles auf Anfang – warum der Euro scheitert und wie ein Neustart gelingt“ entwickeln sie auch ein eigenes Modell für eine neue europäische Währungsunion. Letztlich wollen sie mit stabileren Instituten und neuen Anreizen einen krisenfesten Euro-Raum schaffen, der das Vertrauen der Bürger Europas in die gemeinsame Währung besser als bisher sichern soll. Die Richtung ist allerdings klar: Das Autoren-Dreigestirn (ein Linde-Mitarbeiter, ein Handelsblatt-Redakteur und ein FDP-Politiker) ist einer stramm wirtschaftsliberalen Ecke zuzuordnen.

Zunächst rekapitulieren sie das „Drama“ des europäischen Jahrhundertprojekts in „fünf Akten“ – beginnend vom europäischen Währungssystem (EWS) über die Bargeldeinführung ab 2001, die globale Finanzkrise Jahre später und die diversen Rettungsschirme der Europäischen Zentralbank (EZB) bis zur aktuellen (lockeren) Geldpolitik eben jenes Instituts. Für die Autoren steht fest: Das Euroland hängt am seidenen Faden. Die gegenwärtige Struktur der Währungsunion lade die Regierungen dazu ein, ihre innenpolitischen Probleme auf die Gemeinschaft abzuwälzen und zu verlangen, dass diese dafür bezahlen. Die Nullzinspolitik entlaste die Haushalte zwar und kaschiere die Probleme kurzfristig. Die Existenzkrise der Eurozone lasse sich jedoch auf Dauer so nicht lösen. Sollte sich nichts ändern, fürchten die Autoren: „Eine erste Konsequenz wird ein langfristiger Bedeutungsverlust der europäischen Volkswirtschaften im globalen Wettbewerb sein.“ Weil Reformstau und Niedrigzinsen den gesellschaftlichen Wohlstand mindern, werde der Lebensstandard sinken und damit der gesellschaftliche Frustrationspegel steigen.

Die zweite Chance: Entpolitisierung, mehr Haftung, mehr Wettbewerb

Eine Rückkehr zu den nationalen Währungen kann es für die Autoren nicht geben. Schon die Kosten für die Auflösung der gemeinsamen Währung wären viel zu hoch. Auch die Vergemeinschaftung von Schulden innerhalb der Eurozone über Eurobonds – also gemeinsame Staatsanleihen – soll es nicht geben. Ebenso sind alternative Geldordnungen für die Eurozone wie Basis-, Buch- oder Giralgeld keine Lösungen. Zudem empfiehlt es sich, meinen die Autoren, angesichts der weltweiten Devisenmärkte, dass Europa weiterhin im Verbund auftritt, um Stärke vorzuweisen. Das ideale Modell der Autoren sieht vor allem Folgendes vor: „Systemvertrauen in die Institutionen“. Gemeint ist damit „die Fähigkeit dieser Einrichtungen, mit ihrem Handeln und mit ihren Regeln die Erwartungen von Investoren, Unternehmen und Bürgern langfristig zu beeinflussen“. Dazu seien Rechenschaft und Transparenz wichtig, Haftung und Verantwortung sowie eine wirksame Kontrolle von Risiken. In der Praxis würde das bedeuten: Um eine bessere Geldpolitik zu gewährleisten, muss erstens die EZB entpolitisiert und transparenter gemacht werden. Zweitens müssen die Haftungsfragen klar geregelt sein. Haftung soll die Staaten vor Überschuldung schützen und zugleich verantwortungsvolle Haushaltspolitik sicherstellen. Drittens müssen die Finanzmärkte noch besser durch eine konsequente Bankenregulierung stabilisiert werden. Wesentlich ist für die Autoren, die „verhängnisvolle Verflechtung von Banken und Staaten durch größere Eigenkapitalpuffer der Institute zu beenden“. Ein stabiles Finanzsystem könne es nur geben, wenn die wechselseitige Abhängigkeit von Banken und Staaten endlich durchbrochen werde.

 

 

 

Fazit

Die Autoren fassen kompakt und verständlich die aktuellen Probleme des Euroraums zusammen. Wie „krisenfest“ tatsächlich der Euroraum durch ihre Reformvorschläge werden  könnte, bleibt Theorie. Auch die Frage, wie die Spannungen zwischen den  wirtschaftlich doch sehr unterschiedlich starken Regionen Europas abgebaut werden können, ist nicht gelöst. Dennoch: Die Vorschläge der Autoren stehen in Kontrast zu dem, was politisch Verantwortliche heute diskutieren. Schon deswegen ist das Buch ein guter Querschläger ins Routinedenken.

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