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Berechnungen zu den Auswirkungen der geplanten Respektrente

Wie würde sich die geplante „Respekt“-Rente von Sozialminister Hubertus Heil auf die Rentner auswirken? Wer würde profitieren? Wer wären die Verlierer? In diesem Beitrag werden Beispielfälle für mehrere stilisierte Rentner-Typen durchgerechnet.

Die gesetzliche Rente von Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, soll höher liegen als die Grundsicherung im Alter, die jedem unabhängig von seiner Erwerbsbiografie zusteht – das ist die Grundidee der von Bundesarbeitsminister Heil lancierten Grundrente beziehungsweise Respektrente. Die genauen gesetzlichen Rahmenbedingungen sind noch nicht bekannt, die bisher bekannten Informationen lassen jedoch ein recht klares Bild des Vorhabens erkennen:

Die Respektrente sollen all jene automatisch erhalten, die zwei Bedingungen erfüllen: Eine erste Voraussetzung sind mindestens 35 Jahre an Beitragszeiten, das heißt, die Person muss mindestens 35 Jahre Voll- oder Teilzeit gearbeitet oder (rentenrechtlich wirksam) Kinder erzogen beziehungsweise Angehörige gepflegt haben. Eine zweite Voraussetzung ist, dass die Person während ihres Erwerbslebens durchschnittlich zwischen 0,2 und 0,8 Entgeltpunkte pro Jahr erworben hat.

Derzeit weisen knapp sechs Millionen Einzelrenten einen Durchschnittswert von weniger als 0,8 Entgeltpunkten auf. Knapp die Hälfte davon – rund 2,8 Millionen Personen – kommen auf mindestens 35 Beitragsjahre und würden von der vorgesehenen Rentenaufstockung profitieren. Die übrigen Renten weisen zwar ebenfalls einen Durchschnittswert von weniger als 0,8 Entgeltpunkten auf, haben allerdings maximal 34 Beitragsjahre angesammelt (IW Kurzbericht 2019). Aktuellen Presseberichten zufolge werden derzeit Änderungen am bisherigen Konzept diskutiert. Statt der festen Grenze von 35 Jahren soll demnach ab 33 Beitragsjahren eine Art „Gleitzone“ gelten. Details dazu sind jedoch noch nicht bekannt.1

Das Aufstockungskonzept sieht vor, bei allen Rentnern, die beide Voraussetzungen erfüllen, die jeweiligen Entgeltpunkt-Durchschnittswerte zu verdoppeln. So soll etwa die Rentenanwartschaft einer Person, die durchschnittlich 0,3 Entgeltpunkte angesammelt hat, auf 0,6 Entgeltpunkte verdoppelt werden. Die Aufstockung ist dabei gedeckelt: Der jährliche Durchschnittswert wird auf maximal 0,8 Entgeltpunkte angehoben. Im Ergebnis beträgt die maximal mögliche potenzielle Aufstockung bei einem aktuellen Rentenwert von gut 32 Euro rund 448 Euro.2

Wie wirkt sich das Vorhaben Respektrente auf Rentner, die von der Regelung profitieren würden, konkret aus? Welche Grenzfälle wären damit verbunden, wenn eine Person (knapp) nicht unter die Regelung fällt? Dazu werden hier Beispielfälle für mehrere stilisierte Rentner-Typen durchgerechnet, die Anfang 2019 ihr Renteneintrittsalter erreicht haben.3

Rentner A fällt knapp, aber noch in die Zielgruppe der Respektrente. Er hat zwischen 1984 und 2018 – also genau 35 Jahre – durchgehend gearbeitet. Sein Jahresarbeitsentgelt entsprach während dieser Zeitspanne jeweils 40 Prozent des durchschnittlichen Jahresarbeitsentgelts in Deutschland. In absoluten Werten bedeutete dies ein Bruttojahresentgelt zwischen rund 12.300 Euro im Jahr 1983 und 15.400 Euro im Jahr 2018 (zu aktuellen Preisen).

Einen Teil seines Entgelts führte A während seiner Erwerbsbiografie in die allgemeine Rentenversicherung ab. Der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung schwankte im betrachteten Zeitraum zwischen 17,5 Prozent und 20,3 Prozent (Abbildung 1). Die Hälfte davon entfiel auf A selbst als Arbeitnehmer, die andere Hälfte auf seinen Arbeitgeber. In absoluten Werten wurden damit rund 93.200 Euro (zu aktuellen Preisen) in die Rentenkasse eingezahlt.

Im Gegenzug bekam A über die 35 Arbeitsjahre hinweg jeweils 0,4 Entgeltpunkte gutgeschrieben – insgesamt sammelten sich damit 14 Entgeltpunkte an. Jedem Entgeltpunkt steht derzeit ein Rentenwert in Höhe von rund 32 Euro gegenüber (aktueller Rentenwert West seit dem 01.07.2018). Die derzeitige gesetzliche Rente von Rentner A beträgt damit rund 448 Euro.

Von der Respektrente würde Rentner A entsprechend stark profitieren. Seine erworbenen Entgeltpunkte würden sich auf 0,8 jährlich verdoppeln (Abbildung 2). Insgesamt erreicht er 28 Entgeltpunkte. Seine Altersrente beträgt entsprechend rund 897 Euro.

Rentner B hat zwei Jahre später – 1986 – angefangen zu arbeiten und ging ebenfalls 2019 in Rente. Er verdiente im Durchschnitt mit jeweils 42,4 Prozent des durchschnittlichen Jahresarbeitsentgelts in Deutschland geringfügig mehr als A und führte davon während der gesamten Zeitspanne die fälligen Beiträge in die allgemeine Rentenversicherung ab. Über die Jahre zahlte B damit knapp 93.900 Euro (zu aktuellen Preisen) in die Rentenkasse ein.

Über den Zeitraum von 33 Jahren sammelte B damit jährlich 0,424 Entgeltpunkte an – insgesamt 14 Entgeltpunkte. Seine derzeitige gesetzliche Rente beläuft sich damit – ebenso wie die Rente von A – auf rund 448 Euro.

Anders als Rentner A würde B mit lediglich 33 Beitragsjahren die Voraussetzungen zur Aufstockung im Rahmen der Respektrente nicht erfüllen. Die Summe aller Entgeltpunkte bliebe auch nach einer Neuregelung unverändert. Im Ergebnis liegt die monatliche gesetzliche Rente von A mit 897 Euro doppelt so hoch wie von B mit 448 Euro – obwohl A mit 93.200 Euro während seines Erwerbslebens sogar geringfügig weniger einbezahlt hat als B mit 93.900 Euro.

Rentner C hat wie Rentner A genau 35 Jahre gearbeitet, allerdings deutlich mehr verdient. Sein Jahresarbeitsentgelt betrug während der gesamten Zeitspanne jeweils 80 Prozent des durchschnittlichen deutschen Jahresarbeitsentgelts. Auch er führte während seines Erwerbslebens einen Teil seines Entgelts in die allgemeine Rentenversicherung ab, insgesamt 186.400 (zu aktuellen Preisen).

Dafür bekam er über die 35 Arbeitsjahre hinweg jeweils 0,8 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Die in der Summe 28 Entgeltpunkte bedeuten heute eine gesetzliche Rente in Höhe von 896 Euro. Damit liegt Rentner C über dem Schwellenwert, bei der die Respektrente greifen würde.

Entsprechend würde C nicht von einer Aufstockung profitieren. Seine gesetzliche Rente würde nach wie vor 896 Euro betragen und damit genauso hoch ausfallen wie die aufgestockte Rente von A.

Tabelle 1 verdeutlicht die Verschiebungen durch die mögliche Respektrenten-Regelung. Gemäß aktueller Gesetzeslage liegen die monatlichen Durchschnittsrenten von A und B, die über einen ähnlich langen Zeitraum ähnlich hohe Beitragszahlungen geleistet haben, gleichauf. Rentner C, der wesentlich mehr in die Beitragskasse eingezahlt hat, bekommt auch deutlich mehr gesetzliche Rente.

Ein anderes Bild ergibt sich mit der Respektrente: Die gesetzliche Rente von B, der aufgrund zu geringer Beitragszeiten knapp die Kriterien der Respektrente verpasst, ändert sich nicht. Die Rente von A wird hingegen auf das Niveau von Rentner C verdoppelt.

Bei den Rentnertypen D und E (die beide 40 Jahre lang Rentenbeiträge eingezahlt haben) bzw. den Rentnertypen F und G (mit jeweils 45 Beitragsjahren) ist der Einfluss der Respektrenten-Regelung zwar etwas geringer. Gleichwohl gilt auch hier: Die Respektrente führt in diesen Fällen dazu, dass eine Person, die wesentlich weniger in die Rentenkasse einbezahlt hat, eine ähnlich hohe gesetzliche Rente erhält wie eine Person, die deutlich mehr einbezahlt hat.

Die Beispiele zeigen, dass es im Ergebnis der Respektrenten-Regelung teils zu einer massiven Verschiebung des Verhältnisses von kumulierten Beitragszahlungen und den voraussichtlichen Auszahlungen bei der gesetzlichen Rente kommen kann. Das lässt sich anhand konkreter Rechenbeispiele zeigen. Nach aktueller Gesetzeslage liegen der Wert der kumulierten Beitragszahlungen und der kumulierte Wert der voraussichtlichen Rentenauszahlungen bei allen Rentnertypen in einem ähnlichen Verhältnis zueinander (Abbildung 3, hellgrüne und dunkelgrüne Balken). Die Respektrente führt dagegen zu einer Ungleichbehandlung der Beitragszahlungen: Infolge der Aufstockung würden sich die voraussichtlichen Rentenauszahlungen der Rentnertypen A, D und F annähernd verdoppeln. Für die übrigen Rentnertypen wirkt sich die Respektrente dagegen nicht auf die Höhe ihres Rentenanspruchs aus.

1 Die Gleitzone ist in den hier vorgestellten Kurzberechnungen entsprechend nicht berücksichtigt. Grundsätzlich ist allerdings anzumerken, dass eine kurze Gleitzone von 1 bis 2 Entgeltpunkten zwar die Abbruchkante abschwächen, jedoch nicht auflösen kann. Auf der Website des BMAS ist etwa die Aussage von Heil zu lesen: „Ich kann mir außerdem vorstellen, dass wir den Übergang etwas fließender gestalten. Dafür müssen wir aber die Gesamtfinanzierung klären.“ (https://www.bmas.de/DE/Presse/Interviews/2019/2019-02-22-handelsblatt.html)
2 Im Maximalfall werden für 35 Beitragsjahre jeweils 0,4 Entgeltpunkte – insgesamt also 14 Entgeltpunkte – aufgestockt.
3 Berücksichtigt werden nur Altersrenten, keine Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrenten.

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