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Ökonomisches Wissen in feiner Dosierung und mit Humor

Die Ökonomie gilt in der Öffentlichkeit vielen in etwa so attraktiv wie ein Ausflug an einem verregneten Novembertag. Dass sie ganz anders sein und wirken kann, beweist Karen Horn. Die renommierte Wirtschaftspublizistin schildert in fünfzig ebenso unterhaltsamen wie nachdenklichen Glossen Vielfältiges aus dem viel zu selten gehobenen Schatz der ökonomischen Ideengeschichte – und gibt Antworten auf aktuelle Fragen unserer Zeit. Ein kurzweiliges Buch für jeden zu jeder Gelegenheit.

Es ist nicht leicht, „alte, doch eher seelenlose ökonomische Theorien“ – wie Karen Horn formuliert – in Unterhaltung zu verwandeln. Dass ihr, der Wirtschaftspublizistin und Professorin für ökonomische Ideengeschichte und Wirtschaftsjournalismus an der Universität Erfurt, dieses kleine Kunststück gelungen ist, zeigt schon die Tatsache, dass der größte Teil ihrer nun erschienenen Glossensammlung bereits in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen ist. „Doktor Karen Horns ökonomische Hausapotheke“ lehnt sich nicht nur im Titel an Erich Kästners berühmte „Lyrische Hausapotheke“ an, sondern soll genauso wie des Dichters witzig-kluge Verse unterhalten und mit einem mal kritischen, mal ironischen Ton Denkanstöße geben. Um es vorwegzunehmen: Das gelingt Karen Horn mit Reflexion und Humor so gut, dass man sich fragt, warum sie noch nicht ihren Durchbruch als der „weibliche Eckart von Hirschhausen der Ökonomie“ gefeiert hat. Möglicher- und auch glücklicherweise ist sie vielleicht dafür einfach nicht bühnensüchtig und populärwissenschaftlich genug. Ihr ernsthaftes Interesse liegt an der Schnittstelle der Ökonomik zur Philosophie, Politikwissenschaft und Geschichte.

Die fünfzig Glossen ihres nun erschienenen Buches behandeln Ideen („ohne Verfallsdatum“) und Konzepte der Ökonomie von der Antike bis zur Gegenwart. Es geht um Fragen wie „Was ist ein Monopol?“, „Woher kommt der Wohlstand?“ „Warum braucht man Wettbewerb?“, „Woher kommt der Populismus?“, „Warum wird alles teurer?“, „Wozu der Zins?“ oder „Wie verhindert man Krieg?“. In ihren Antworten beruft sich Horn auf bestimmte Werke und Aufsätze altbekannter, aber auch weniger gelesener Ökonomen wie John Nash, Léon Walras, Walter Eucken, Friedrich August von Hayek, Adam Smith, John Maynard Keynes, John Stuart Mill, Joseph Schumpeter, Heinrich Gossen oder Edward L. Glaeser. Jeden ihrer „Paten“ stellt sie mit einem Miniporträt und einer kleinen Liste ausgewählter Werke vor. Die Zielgruppen des Buches zeigen sich bereits in der Formulierung der einzelnen Kapitelüberschriften: „Verbraucher und Produzenten“, „Pfennigfuchser“, „Weltenbummler“, „Rivalen“ und „Staatsbürger“ – und jeder, der einen Zugang zum „sperrigen ökonomischen Fach“ und ein Verständnis für wirtschaftliches Handeln gewinnen will.

Vermeintliche Aussicht auf Reichtum provoziert Brexit

Ob es sich nun um das Inflationstrauma der Deutschen, um Wohlstandsvermehrung, Terrorismus- und Armutsbekämpfung, Krieg, Preisstabilität, Zins oder Rente handelt – immer wieder lassen sich in den Glossen elektrisierende Impulse finden. So rekurriert Horn beispielsweise in ihrem Kapitel über die „Kosten der Sezession“ und damit auch den Brexit auf die Entwicklungsökonomen Paul Collier und Anke Hoeffler. Sie hätten festgestellt, dass „hinter der identitären Rhetorik sezessionistischer Bewegungen zumeist handfeste ökonomische Vorteilskalküle“ steckten. „Deren typischer, mit Ressentiments befrachteter Patriotismus ist somit Produkt und Vehikel einer zunächst wirtschaftlich motivierten Propaganda, so verfehlt das zugrunde liegende ökonomische Kalkül auch sein mag“, schreibt Horn. Sei dieser Geist aber erst einmal aus der Flasche, könne es wie im „fatalen Brexit-Referendum“ geschehen, dass sich niemand mehr um die eigentliche Absurdität des Kalküls schere. Horn: „Der Brexit wird teuer – für alle, und vor allem für die Briten.“

Horn ist in ihren Texten niemals belehrend, sondern stets abwägend, eindeutig in der Sprache und auch, wenn es sein muss, klar in ihrer Meinung. So warnt sie vor dem „Experiment Grundeinkommen“. „So berauschend es sein mag, sich politische Großexperimente auszudenken, man unterschätzt leicht den Erfindungsreichtum der Menschen, die kreative Dynamik sozialer Prozesse und die Zufälle des Lebens“, schreibt die Autorin.

Oder: Damit Kartelle sich auflösen, empfiehlt Horn, eine Situation zu schaffen, „in der sich der Nutzen des Kartells für die einzelnen Teilnehmer in einen Schaden wendet, den die anderen nicht mehr kompensieren können.“

Oder: Trotz aller Kritik an Milton Friedmans Geldpolitik, hält Horn Friedmans Mahnung, „die Bedeutung einer richtigen Bemessung der Geldversorgung für einen gedeihlichen Gang der Gesamtwirtschaft nicht gering zu schätzen“, für wichtig und nach wie vor für gültig.

Kein Populismus ohne ein williges Publikum

Auch ihre Einsichten in die Entstehung von Populismus legen interessante Facetten auf die aktuelle Politik frei: „Ressentiment und Hass“ sind Produkte von „politischen Unternehmern“ mittels einer Technik der Aufwiegelei. Doch ohne ein williges Publikum geht es nicht. Denn: „Viele Menschen sind für Lügen und Hetze immer dann empfänglich, wenn sie sich keinen Gewinn daraus versprechen, die Wahrheit zu erkennen. Es ist auch umso leichter, ihnen Hass auf ganze Gruppen einzuimpfen, je weniger Interaktion sie mit deren Mitgliedern haben – weshalb der Fremdenhass dort am stärksten ist, wo kaum Ausländer leben“, sagt Horn. Ein gewiefter Politiker könne sich diese Ausgangslage zunutze machen, wenn er zum Hass auf Gruppen anstachele, die in der gegnerischen Partei ihre ideologische Heimat hätten – ein übler Schachzug, der mittlerweile in fast allen Parlamenten Europas wieder zur Routine geworden ist.

Fazit

Karen Horn gelingt es, wirtschafts-, gesellschafts- und finanzpolitische Ideen mit Tiefgang und Leichtigkeit dosiert in lesenswerte Form zu bringen und in die aktuellen Debatten einzuschleusen. Ihre ökonomische Hausapotheke ist ein kurzweiliges Buch für jeden – abwägend, nicht belehrend und vor allem nicht ohne Humor. Absolut hilfreiche und schmackhafte Medizin!

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