Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged ,

Mehr Wohlstand mit weiblicher Ökonomie

HeuserSteinborn_Jetzt_oder_nie_P10DEF_DEF.inddUwe Jean Heuser/Deborah Steinborn: Anders denken – warum die Ökonomie weiblicher wird, München 2013, Hanser-Verlag Dass die Ökonomie weiblicher wird, klingt wie ein frommer Wunsch der Autoren. Ein Imperativ in ihrem Buchtitel wäre angebrachter gewesen: Sie muss weiblicher werden! Denn dass die Ökonomie enorm an Perspektive und Tiefe gewinnt, wenn sich Frauen endlich stärker in ökonomische Diskurse und Entscheidungen einschalten dürfen, machen Steinborn und Heuser unmissverständlich klar. Zwar werden auch Frauen die Menschheit nicht von Krisen erlösen, sie würden sich aber aufgrund ihrer weiblichen Handlungs- und Denkweisen mehr für Menschen als für kalte Märkte interessieren – und damit vorausschauender handeln.

„Wenn Lehman Brothers bloß Lehman Sisters gewesen wäre, würde die Finanzkrise von heute ganz anders aussehen.“ Das Zitat stammt von IWF-Chefin Christine Lagarde. So vorwurfsvoll und radikal es klingt, so sehr steckt für die Autoren von „Anders denken – warum die Ökonomie weiblicher wird“ ein Stück Wahrheit darin: „Frauen sind anders als Männer, sonst wäre das Argument neuer Vielfalt durch Geschlechtermischung auch gar nicht so wertvoll“, schreiben Jean Heuser und Deborah Steinborn in ihrem Buch. Die beiden sind sich sicher: Eine für Frauen offene und stärker beeinflusste Wirtschaftswelt verspricht mehr Flexibilität, Teilnahme und Ausgewogenheit gegenüber schnelllebigen und verführerischen Trends.

Die Realität sieht allerdings alles andere als weiblich aus. Zwar sind fast alle Wissenschaften männlich dominiert, doch die Wirtschaftswissenschaften schneiden besonders schlecht ab. „In Deutschland sind zwölf Prozent der Wirtschaftsprofessoren weiblich, während es über alle Fächer hinweg immerhin fast 20 Prozent Frauen gibt.“

Dass es vor 20 Jahren nur zwei Prozent Wirtschaftsprofessorinnen waren, lässt die Autoren rückschließen, dass sich die Krise der klassischen Ökonomie zumindest nicht auf die Frauen schieben lässt. Im Gegenteil: Es begann mit der Idee vom Menschen als Homo Oeconomicus, schreiben Heuser und Steinborn in ihrem Buch. Dieser Homo Oeconomicus suche auf den Märkten seinen Vorteil und sorge dafür, dass alle den höchstmöglichen Wohlstand erzielen. „Es ist nicht ohne Ironie, dass Männer nicht nur dieses Modell ersannen, sondern dass sie es auch waren, die sich – ganz anders als ein Homo Oeconomicus – vom Finanzboom vor der Krise besonders berauschen ließen.“

Das Autorenduo zeigt anhand vieler Beispiele, wie erfolgreiche Managerinnen und Spitzenforscherinnen weltweit ticken, darunter die isländischen Audur-Capital-Gründerinnen Kirstin Petursdottir und Halla Tomasdottir, die in den USA lehrende deutsche Wirtschaftsprofessorin Ulrike Malmendier, die amerikanische Wirtschaftsprofessorin Betsey Stevenson, die Max-Planck-Forscherin Tania Singer und die Trumpf-Chefin Nikola Leibinger-Kammüler – und natürlich die Französin Christine Lagarde.

Heuser und Steinborns schreiben unterhaltsam und schwungvoll. Ihr Werk ist weit entfernt von einem Alice-Schwarzer-Duktus. Sie zeigen ohne zu polemisieren und zu polarisieren die unglaubliche Ressourcenverschleuderung auf, die darin besteht, die Hälfte der Menschheit – nämlich die Frauen – von ökonomischen Entscheidungen auszuschließen. Das Buch ist nicht nur ein Plädoyer für das notwendige Ende der männerdominierten Wirtschaft, sondern auch eines für die Verhaltensökonomie – eine mögliche Paradedisziplin der Frauen: „Frauen wollen über Fragen nachdenken, die am Menschen orientiert sind“, zitieren die Autoren die Harvard-Ökonomin Claudia Goldin. Je besser Ökonomen den Menschen kennenlernten, und je besser die sich auch selbst kennenlernten, desto mehr Möglichkeiten der individuellen und gemeinschaftlichen Verbesserungen tun sich auf, meinen Heuser und Steinborn. Sie sind überzeugt: Der notwendige Wandel lohnt sich für alle, denn ein System, in dem alle ihr Potenzial ausschöpfen können, schafft nicht nur mehr Wohlbefinden, sondern auch mehr Wohlstand.