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Corona-Krise bewältigen, Resilienz und Wachstum stärken

Wie kann unsere Volkswirtschaft gestärkt werden, um für künftige Krisen gewappnet zu sein? Was muss getan werden, um die Wachstumstreiber in Deutschland zu fördern? - Antworten des Neumitglieds des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Das diesjährige Jahresgutachten des Sachverständigenrats ist überschrieben mit dem Titel „Corona-Krise gemeinsam bewältigen, Resilienz und Wachstum stärken“. Der Titel bringt auf den Punkt, worauf es in der Krise ankommt. Aber zunächst eine kurze Einordnung, wo wir aktuell stehen.

Aktuelle Einschätzung

Nach dem starken Einbruch zu Beginn der Pandemie hat sich die Wirtschaft im dritten Quartal überraschend deutlich erholt, sodass wir für das Jahr 2020 insgesamt einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 5,1 Prozent erwarten. Aktuell deutet sich aber angesichts der zweiten Infektionswelle eine stagnierende Entwicklung an. Für das nächste Jahr erwarten wir ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,7 Prozent. Vorausgesetzt, mit den aktuellen Maßnahmen des Lockdown light kann das Infektionsgeschehen so weit eingedämmt werden, dass keine massiveren Beschränkungen wie im Frühjahr notwendig oder gar die Lieferketten erneut unterbrochen werden. Ohne die zweite Infektionswelle wäre die Prognose für 2020 und für 2021 auf das Jahr bezogen um jeweils 0,2 Prozent höher ausgefallen.

Corona-Krise gemeinsam gewältigen

Wie sich die nächsten Wochen und Monate entwickeln werden, hängt ganz wesentlich vom Verhalten der Menschen ab, von unserem Verhalten. Denn das individuelle Verhalten entscheidet über das Risiko der Übertragung des Virus und damit das Infektionsgeschehen. Hier ist jede Einzelne, jeder Einzelne gefragt. Die Krise kann nur gemeinsam bewältigt werden.

Das gilt auch für die Zusammenarbeit der Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen. Nur ein abgestimmtes und gemeinsam getragenes Vorgehen ist effektiv und sorgt für die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung. Ein gemeinsames Vorgehen ist auch auf EU-Ebene angezeigt. Die im Juli 2020 beschlossene Einrichtung eines kreditfinanzierten Aufbaufonds auf europäischer Ebene war ein wichtiges Signal, dass in dieser Ausnahmesituation die europäischen Mitgliedstaaten zusammenstehen sollten, um die Krise gemeinsam zu überwinden. Ein Scheitern dieses Pakets würde auch die Krisenbewältigung gefährden.

Resilienz …

Gleichzeitig gilt es, die Resilienz der Volkswirtschaften zu stärken, um für künftige Krisen gewappnet zu sein. Dazu gehören eine stärkere Diversifizierung der Lieferketten, eine ausreichende Kapitalausstattung der Unternehmen und Banken, aber auch ein Ausbau der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheits- und im Bildungssystem. Diese Maßnahmen sind mit Kosten verbunden, denen aber die Stärkung der Resilienz gegenübersteht. Nach Festigung der konjunkturellen Entwicklung ist die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch geeignete Konsolidierungsschritte zu sichern, die konjunkturgerecht und wachstumsfördernd ausgestaltet sind, damit auch mittelfristig Spielräume für Geld- und Fiskalpolitik eröffnet werden. 

Die Konsolidierung der Staatsfinanzen wird umso leichter fallen, je besser es gelingt, die Wachstumskräfte in Deutschland und Europa zu stärken und aus der Krise herauszuwachsen. Deshalb ist es wichtig, mit den in der Krise beschlossenen Hilfs- und Fördermaßnahmen in Deutschland den Strukturwandel nicht zu bremsen, sondern zu unterstützen. Auf europäischer Ebene bietet der europäische Aufbaufonds die Chance, durch zielgerichtete Investitionen und Strukturreformen in den EU-Mitgliedstaaten die Resilienz und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsraums zu erhöhen.

… und Wachstum stärken

Ein wichtiger Wachstumstreiber wird in den kommenden Jahren die Digitalisierung sein. In der Krise konnten viele Unternehmen durch Einsatz digitaler Technologien ihren Geschäftsbetrieb trotz Abstands- und Hygieneregeln aufrechterhalten. In Zukunft gilt es jedoch, in der Breite zukunftsfähige digitale Geschäftsmodelle auszubauen. Für private Investitionen sind die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und insbesondere die Anreize für Unternehmen und Haushalte von entscheidender Bedeutung.

Eine innovationsorientierte Beschaffungspolitik der öffentlichen Hand, die auch kleinen und mittleren Unternehmen eine Chance gibt, sowie ein erleichterter Zugang zu Daten des öffentlichen Sektors kann zur Entwicklung solcher Geschäftsmodelle einen wichtigen Beitrag leisten. Weitere Investitionen in die digitale Infrastruktur und der Abbau bürokratischer Hürden bei deren Ausbau sind notwendig. Auf europäischer Ebene sollte die Vertiefung des digitalen Binnenmarktes vorangetrieben werden. Gleichzeitig ist durch eine Anpassung der Wettbewerbsregeln dafür zu sorgen, dass auf den digitalen Märkten wettbewerbliche Offenheit sichergestellt wird, um auch neuen Anbietern eine Chance in der Konkurrenz mit dominanten Tech-Konzernen zu bieten, beispielsweise durch Interoperabilität und Datenportabilität.

Bei der der Umsetzung klimapolitischer Vorgaben bieten sich industriepolitische Chancen, die wachstumsfördernd genutzt werden sollten. Damit der Strukturwandel gemeistert und das Potenzial für die Wettbewerbsfähigkeit realisiert werden kann, brauchen Unternehmen marktorientierte Anreize, um Investitionen zu tätigen, Innovationen voranzutreiben und neue Märkte zu erschließen. Die Einführung des nationalen Emissionshandels sollte konsequent umgesetzt und von einer umfassenden Energiepreisreform begleitet werden, um die Lenkungswirkung erhöhter CO2-Preise durch möglichst weitgehende Abschaffung staatlich induzierter verzerrender Abgaben und Umlagen zu stärken und so die Sektorkopplung voranzutreiben.

Mehr Interesse an ökonomischen Aspekten der Corona-Krise? Stöbern Sie hier durch unsere Übersichtsseite.

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