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Bundeshaushalt 2021: Zwischen Krisenbekämpfung und „günstiger“ Gelegenheit

Die Aussetzung der Schuldenbremse macht in der Corona-Pandemie Sinn. Aber die Politik könnte der Verlockung unterliegen, das zusätzliche Geld auch für Projekte auszugeben, die mit der Pandemie nichts zu tun haben. Eine Schätzung.

Für das zweite Jahr in Folge wurde mit Blick auf den Bundeshaushalt eine Notsituation festgestellt. Die Nettokreditaufnahme unterliegt dadurch keiner rechtlichen Begrenzung.

Angesichts der noch andauernden Corona-Pandemie kann es eindeutig als gerechtfertigt gelten, dass eine Notsituation vorherrscht. Der Bund sollte möglichst freie Hand haben Ausgaben zur Pandemiebekämpfung und zur Stabilisierung der Wirtschaft zu tätigen.

Doch bietet diese Situation auch die Möglichkeit, Ausgaben per Kredit zu finanzieren, die keinen direkten Bezug zur Krise haben beziehungsweise nur eine geringe Stabilisierungswirkung aufweisen dürften, schlicht weil die zusätzliche Möglichkeit zur Kreditaufnahme die Konkurrenz zwischen Ausgabenprojekten, die in regulären Haushaltsjahren gelten dürfte, mindert.

Lediglich die durch die zusätzliche Nettokreditaufnahme spätere Tilgungsverpflichtung stellt eine Budgeteinschränkung dar. Diese dürfte aber in der politischen Abwägung ein deutlich geringeres Gewicht haben als die reguläre Schuldenbremse, da sich die derzeit handelnden Akteure für die Haushaltsjahre, in denen die Tilgung anstehen wird, vielleicht nicht als Gestalter wahrnehmen.

Globale Mehrausgaben problematisch

Derzeit wird mit einer Nettokreditaufnahme von fast 180 Milliarden Euro geplant. Es sind hohe Ansätze für Unternehmenshilfen eingestellt sowie zusätzliche Ausgaben im Gesundheitsbereich. Außerdem steigen die Ansätze in den konjunkturreagiblen Bereichen, um zum Beispiel Einnahmeausfällen in den Sozialversicherungen zu begegnen, und es werden globale Mehrausgaben von 30 Milliarden Euro bereitgestellt.

Ein Großteil dieser zusätzlichen Ausgaben wurde erst in den Bundehaushaltsplan aufgenommen, als die Konsequenzen der zweiten Corona-Welle absehbarer wurden. Die Bundesregierung hat noch im Frühherbst mit einer Nettokreditaufnahme von 96 Milliarden Euro geplant (Tabelle unten).

Der plötzliche Anstieg der geplanten Nettokreditaufnahme ist für sich genommen nicht zu kritisieren, ist er doch weitgehend eine Reaktion auf das veränderte Umfeld und der Stabilisierung bzw. Krisenbekämpfung gewidmet.

Problematisch ist allerdings, dass sogar über den derzeit absehbaren Planungsstand hinaus globale Mehrausgaben von 30 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt eingestellt wurden.

Zwar kann zu Recht behauptet werden, dass die derzeitigen Prognosen mit einer großen Unsicherheit behaftet sind und es daher auch kaum absehbar ist, ob eine entsprechend geringer geplante Nettokreditaufnahme die anstehenden Herausforderungen hinreichend abbildet.

Finanzbericht 2020
(Sommer 2019)
Eckwertebeschluss
(Frühjahr 2020)
Entwurf
(Oktober 2020)
Beschluss (November 2020)
Einnahmen*366,2370,3317,2318,8
Steuereinnahmen334,2324,2292292,8
Ausgaben366,2370,3413,4498,6
Nettokredit-aufnahme0096,2179,8
Tabelle 1: Planungsstände des Bundeshaushalts 2021 (in Mrd. Euro)
* Ohne Nettokreditaufnahme, aber inkl. Einnahmen aus der Auflösung von Rücklagen
Quelle: Finanzbericht 2020 und 2021, Deutscher Bundestag, eigene Darstellung.

An diesem Umstand ändert auch die Tatsache wenig, dass die geplante Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt 2020 bei Weitem nicht ausgeschöpft wurde und nun in einigen Bereichen (insbesondere investive Ausgaben und Unternehmenshilfen) zusätzliche Mittel in zweistelliger Milliardenhöhe im Jahr 2021 verausgabt werden können.

Zum einen war das Ausmaß, in dem die geplante Nettokreditaufnahme 2020 unterschritten wurde, selbst Ende November 2020, als der Haushalt 2021 beschlossen wurde, nicht vollends absehbar, und zum anderen können die Haushaltsreste aus dem Jahr 2020 wegen bestehender Zweckbindungen nicht flexibel eingesetzt werden. 

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass in dem Fall, dass aktuelle Entwicklungen die Annahmen in der Finanzplanung obsolet machen, die Möglichkeit für einen Nachtragshaushalt besteht, der den Finanzrahmen situativ kontrolliert vom Parlament ausweiten kann. Durch die globale Mehrausgabe besteht nun hingegen der Anreiz für die Bundesregierung, auch ineffiziente Ausgaben zu tätigen, schlicht weil ein entsprechender Finanzrahmen vorhanden ist. Diese Anreize könnten gerade in einem Wahljahr besonders hoch sein.

Zu kritisieren ist zudem, dass die Finanzierungsmöglichkeiten während des Andauerns der Notsituation für Ausgaben genutzt werden, die nicht in direktem Bezug zur Pandemie oder zur damit einhergehenden konjunkturellen Krise stehen.

Schulden nicht nur zur Krisenbekämpfung

Vielmehr scheint die Ausnahmesituation offenbar bereits in den Planungen der Bundesregierung im Sommer und Frühherbst dazu genutzt worden sein, Politikprojekte, die unter der Schuldenbremse in der Konkurrenz zwischen den Ausgabenprojekten unterlegen waren, durch zusätzliche Schulden zu finanzieren.

Bereits mit der Festlegung für ein „Zukunftspaket“, das die Bundesregierung im Juni 2020 verkündet hat, wurde offenbar, dass die zusätzlichen Verschuldungsmöglichkeiten nicht nur zur Krisenbekämpfung und Konjunkturstabilisierung, sondern auch für zusätzliche Ausgabenprojekte verwendet werden sollten (vgl. dazu Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose 2020).

Die geplanten Ausgaben schätze ich in einem Kurzgutachten für die Initiative Soziale Marktwirtschaft anhand eines Vergleichs der Ausgaben nach Aufgabenbereichen auf rund 15 Milliarden Euro. Da auch innerhalb der von der Krise erfassten Aufgabenbereiche Projekte, die nicht krisenbezogen sind, platziert sein können, ist dies eine eher vorsichtige Schätzung.

Dies wirft zum einen die Frage auf, warum diese Projekte zuvor nicht als hinreichend wichtig eingeschätzt wurden. Zum anderen ist es fraglich, ob mit der Notsituation in der Schuldenbremse ein solches Vorgehen intendiert war.

Hierbei ist auch zu bedenken, dass durch die zusätzlichen Tilgungsanforderungen, die mit der erhöhten Nettokreditaufnahme einhergehen, schließlich Ausgabeprojekte heute gegen Ausgaben (oder Steuererhöhungen) in der Tilgungsphase getauscht werden. Das Ausmaß dürfte zwar nicht so umfangreich sein, dass die zukünftige Finanzpolitik maßgeblichen Einschränkungen unterliegen wird, doch bleibt hier ein grundsätzlicher Trade-off. Zusätzliche Ausgaben zur Pandemiebekämpfung und effizienten Konjunkturstabilisierung rechtfertigen diesen Trade-off durchaus. Doch gilt für darüber hinausgehende Ausgabenprojekte, dass sie Branchen stimulieren dürften, die von der Krise nicht oder nur kaum betroffen sind, zum Beispiel die Digitalwirtschaft, deren Geschäftstätigkeit mit der Krise in Teilen sogar deutlich zugenommen hat. Die Stabilisierungspolitik wird dadurch ineffizient. Vielmehr verursacht der Staat durch diese Interpretation der Ausnahmeregel der Schuldenbremse zusätzliche und vermeidbare Konjunkturschwankungen.

Weiterführende Inhalte: 
– Kurzgutachten “Bundeshaushalt 2021 – Zwischen Krisenbekämpfung und „günstiger“ Gelegenheit”, ifw Kiel, 2021
Pressemitteilung der INSM zum Kurzgutachten

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