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Was bedeutet die jüngste Steuerschätzung für die zukünftige Finanzplanung?

Die Steuereinnahmen sind absolut gesehen weiter hoch, doch die jüngste Steuerschätzung ist niedriger als von manchen erwartet. Die Folge: Für 2024 dürften sich weitere Haushaltslücken auftun. Mit einem Trick könnten die Zinsausgaben gedrückt werden – mit dem nicht unerheblichen Nachteil, dass in den Folgejahren höhere Zahlungen fällig würden.

Dass vielerorts die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung eher negativ diskutiert wurden – es war sogar von einbrechenden Einnahmen die Rede –, lässt leicht übersehen, dass im Wesentlichen die Zahlen aus der Herbstschätzung bestätigt wurden.

Für den Bund zeigt sich eigentlich sogar eine moderate Aufwärtsrevision. Dass dies die Medienberichterstattung nicht dominiert, liegt daran, dass nun diverse Steuerrechtsänderungen, die zu Mindereinnahmen führen, in das Zahlenwerk übernommen wurden. Teilweise waren diese Rechtsänderungen bereits im Herbst absehbar, doch wurden sie seinerzeit nicht berücksichtigt, da die Steuerschätzung stets nach geltendem Recht erfolgt, sodass z.B. die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas und das Inflationsausgleichsgesetz sich erst jetzt in den Zahlen wiederfinden.

Aktuell scheint die Bestätigung der Zahlen aus dem Herbst keine gute Nachricht zu sein, da sich nun weiterhin Haushaltslücken für das Jahr 2024 auftun. Diese zeichneten sich nach den Steuersenkungen und den stark gestiegenen Zinsen zwar bereits im Winter ab. Vermutlich in der Hoffnung, dass eine neue Schätzung Mehreinnahmen bringen könnte, wurden aber weitere Haushaltsplanungen vertagt und sogar komplett auf die Vorstellung der Haushaltseckwerte – eigentlich im März fällig – verzichtet.

„Das weitgehende Aufbrauchen der Rücklagen im Jahr 2023 führt zu einem doppelten Nachteil.“

Nun hat die Steuerschätzung das Bild eben nicht wesentlich verbessert, sondern „nur“ bestätigt, sodass die Haushaltsplanung für den Kernhaushalt des Bundes für das Jahr 2024 weiter unter Druck steht. Die Steuersenkungen, bereits beschlossene und zum Teil umgesetzte Mehrausgaben und deutlich gestiegene Zinszahlungen stehen im Konflikt mit der Einhaltung der Schuldenbremse, die für das Jahr 2023 erstmals seit 2019 wieder im Regelbetrieb ist. Allerdings nutzte der Bund für das Jahr 2023 im großen Umfang aus den Vor-Corona-Jahren bestehende Rücklagen, sodass bis dato nicht konsolidiert werden musste, um zur Schuldenbremse zurückzukehren.

Das weitgehende Aufbrauchen der Rücklagen im Jahr 2023 hat nun einen doppelten Nachteil. Zum einen führt dies in einem Jahr mit immer noch hoher Inflation zu einer stärkeren Kreditaufnahme des Staates, die bereits durch die Kredite aus Sonderhaushalten erhöht ist. Die zusätzlichen kreditfinanzierten Ausgaben treiben für sich genommen die Inflation weiter an, und zudem ist der Konsolidierungsdruck nicht verschwunden, sondern besteht nun eben für die Haushaltsplanung 2024. Finanzminister Lindner bezifferte das Konsolidierungsvolumen jüngst mit rund 20 Milliarden Euro. Eine solche Summe einzusparen ist durchaus eine Herausforderung, so entspricht sie rund 4 Prozent der Ausgaben des Bundeshaushalts, wobei diverse Ausgaben kaum verhandelbar sein dürften.

Eine bemerkenswerte Rolle spielen die Zinsausgaben. Diese vervielfachen sich für den Bund im laufenden Jahr, während sie z.B. für die Länder zwar auch deutlich, aber mit einem erheblich geringeren Tempo steigen.

Die Ursachen für den starken Anstieg beim Bund sind vielfältig. So hat dieser inflationsindexierte Anleihen begeben, die nun sehr hohe Renditen abwerfen. Auch ist die durchschnittliche Laufzeit der Bundeswertpapiere nicht allzu hoch, sodass relativ viele Wertpapiere aktuell zu nun deutlich schlechteren Konditionen refinanziert werden müssen. Schließlich spielen Agios bzw. Disagios eine große Rolle.

Sofern eine Anleihe begeben wird, deren Kupon (die jährliche Zinszahlung an den Anleiheeigentümer) höher als die Marktrendite ist, sind die Anleihekäufer bereit, für die Anleihe mehr als den Nennwert (Rückzahlungsbetrag) zu zahlen. Die Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis mindert in dem Jahr, in dem die Anleihe begeben wird, die Zinsausgaben. So geschah es in der Niedrigzinsphase, da Kupons anders als die Marktrenditen der Anleihen nicht unter null fielen.

Dieser Effekt entfällt mit der Zinswende und wird zum Teil umgekehrt. Dies geschieht insbesondere dann, wenn der Bund bereits bestehende Anleihen mit fixiertem Kupon aufstockt, was regelmäßig zur Marktpflege getan wird. Nun liegen die Marktrenditen teilweise deutlich über den Kupons der Anleihen, die in der Niedrigzinsphase das erste Mal emittiert wurden, sodass eine Art Zinsklippe entsteht. Ein Großteil davon dürfte im Jahr 2023 anfallen, was sich über einen stärkeren Abbau der Rücklagen aber auch auf 2024 auswirkt.

Langfristig spielen Agios und Disagios keine bedeutende Rolle, da sich über die Laufzeit einer Anleihe die Zinszahlungen insgesamt nicht verändern, aber kurzfristig gibt es nun deutlich Effekte, was auch bereits zu Diskussionen geführt hat, wie die Zinsausgaben zu buchen sind (so werden in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Agios und Disagios auf die gesamte Laufzeit verteilt, was Zinsklippen verhindert).

Agios und Disagios, die derzeit die Finanzplanung durcheinanderbringen, könnten aber aus Sicht des Finanzministeriums nicht nur Teil des Problems, sondern auch der Lösung für den Haushaltsstreit 2024 sein. Wenn nämlich bei der Neuemission von Anleihen im Jahr 2024 Kupons nicht wie üblich orientiert an der Marktrendite, sondern deutlich oberhalb der Marktrendite fixiert werden, ließen sich abermals Aufgelder einsammeln und die Zinsausgaben des laufenden Jahres deutlich drücken. Es bleibt dann allerdings der nicht unerhebliche Nachteil, dass in den Folgejahren höhere Kuponzahlungen – also Zinsausgaben – anstehen.

Ein solcher „Trick“ könnte dann funktionieren, wenn in der Folge die Steuereinnahmen wieder deutlich stärker zulegen als bisher angenommen. Doch wäre es durchaus gewagt, darauf zu bauen. Die Herausforderungen der Dekarbonisierung und des demografischen Wandels dürften in den kommenden Jahren eher wenig Raum für positive Wachstumsüberraschungen lassen. Die öffentlichen Haushalte sind gut beraten, sich darauf einzustellen.


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