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Die japanische Krankheit

Bilanz JapanGeldschwemme statt Sparkurs. Mithilfe der Notenpresse versucht Japan die Wachstumsschwäche zu überwinden. Und tatsächlich scheint das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal anzuspringen. Nun fordern auch in Europa immer mehr das Ende des Sparkurses. Doch der Preis dafür könnte hoch sein.

Wir alle kennen die Redewendung „Alter Wein in neuen Schläuchen!“  Man gebe einem alten Konzept einfach einen neuen Namen, schon wird nach wenigen Monaten von den erfolgreichen „Abenomics“ in Japan schwadroniert. Neu benannt ist die seit 1990 im Inselstaat erfolglos praktizierte Politik der immerwährenden exzessiven Kreditfinanzierung mit staatlichen Konjunkturprogrammen, einer Nullzinspolitik und einer wahren Gelddruckorgie der Notenbank nach Shinzo Abe, dem neuen japanischen Regierungschef.

Anfang vorletzter Woche feierte die globale Wirtschaftspresse, die üblichen verdächtigen Ökonomen wie Paul Krugman, aber auch die politische Linke den Erfolg dieser Abenomics, die doch tatsächlich im ersten Quartal 2013 zu einem auf Jahresbasis hochgerechneten Wachstum von 3,5 Prozent in Japan geführt habe. Was für ein Erfolg nach mehr als zwei Jahrzehnten Stagnation und Deflation! Nötig für erfolgreiche Wirtschaftspolitik sind also nicht Strukturreformen, die den Menschen Opfer abverlangen, weil etwa das Renteneintrittsalter angehoben oder der Kündigungsschutz gelockert wird. Nein, man lasse einfach die Zentralbank immer neues Geld drucken, die Märkte mit Hyperliquidität fluten und damit eine Aktienhausse auslösen, die in Japan binnen eines guten halben Jahres fast zu einer Verdoppelung des Nikkei-Index führte

Doch die Risiken und Nebenwirkungen dieser japanischen Krisenpolitik sind gewaltig. Die Staatsverschuldung hat dort jetzt astronomische 245 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung erreicht. Die Liquiditätsblase an den Aktienmärkten kann jederzeit platzen, wie der Absturz des Nikkei um mehr als 1.000 Punkte vergangene Woche schlagartig bewusst machte. Und dass ein schwacher Yen auch eine Kehrseite für eine Volkswirtschaft hat, die ihren Energiehunger durch den Import fossiler Brennstoffe stillen muss, sei nicht verschwiegen. Wenn die Energiepreise steigen, haben die Verbraucher weniger Geld für die Konsumnachfrage.

Finger weg von dieser japanischen Harakiri-Strategie! Dieser Appell geht an alle politischen Kräfte in Europa, die derzeit nichts unversucht lassen, um die angesichts der Schuldenprobleme in der Eurozone notwendigen Sparanstrengungen zu torpedieren. Plötzlich wird nicht mehr eine viel zu laxe jahrzehntelange Haushaltspolitik, ein zu teures Sozialsystem mit Frührenten und aufgeblähtem öffentlichen Dienst und eine innovationsarme und unproduktive  Volkswirtschaft für die Probleme in Griechenland, Spanien und auch in Frankreich verantwortlich gemacht. Nein die sogenannte Austeritätspolitik steht im Zentrum der Kritik. Man dürfe sich doch nicht kaputtsparen, meinen die Politiker, für die Haushaltsdisziplin ein Graus ist, weil sie dann der Bevölkerung keine neuen kreditfinanzierten Wohltaten mehr versprechen können oder gar in liebgewordene soziale Besitzstände eingreifen müssten.

Doch dabei steht die diskreditierte Austeritätspolitik für nichts anderes als eine staatliche Haushaltspolitik, die über den Konjunkturzyklus einen ausgeglichenen Staatshaushalt ohne Neuverschuldung anstrebt. Und weil sich die Kritiker in Deutschland und Europa so gern auf den großen britischen Ökonomen John Maynard Keynes beziehen, wenn sie für Krisenbekämpfung mit Krediten statt mit Strukturreformen kämpft: Keynes vertrat in seinem 1936 veröffentlichten Standardwerk sehr wohl eine nachhaltige finanzpolitische Strategie. Er huldigte gerade keiner immerwährenden Neuverschuldung, sondern plädierte über den gesamten Konjunkturzyklus für Staatsbudgets, die in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sind.  Für wahre Keynesianer müssten die Abenomics ein Graus sein. Von der japanischen Krankheit sollten sich die Europäer und erst recht die Deutschen nicht anstecken lassen, auch wenn unsere Staatsverschuldung „erst“ bei 81 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung liegt.