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Die Unabhängigkeit der EZB ist Geschichte

Die EZB hat ein vorrangiges Ziel: Die Sicherung der Währungsstabilität. Das stößt nicht auf Gegenliebe aller Euro-Staaten. Denn die Sanierung der Staatshaushalte mittels Inflation ist für Regierungen der einfachste Weg. Bei der Euro-Einführung war aber klar: Die Zentralbank ist unabhängig. Doch ihr Ruf bröckelt.

Man erinnert sich: In der alten Welt der Deutschen Bundesbank gab es immer wieder Versuche der Politik, sich zur Haushaltsfinanzierung der Goldreserven zu bemächtigen, die von der deutschen Zentralbank verwaltet werden. Finanzminister wie Theo Waigel (CSU) oder Hans Eichel (SPD) holten sich dabei blutige Nasen.

Der Ruf der unabhängigen Zentralbank in Deutschland war so sagenhaft, dass Helmut Kohl sein Ja zur Euro-Einführung von der Ausgestaltung der neuen europäischen Notenbank nach dem Vorbild der Bundesbank abhängig machte – samt Dienstsitz in Frankfurt.

Eine unabhängige Notenbank darf nicht weisungsgebunden sein gegenüber Regierung und Parlament und muss personell unabhängig sein. Der Schutz vor Inflation, die Stabilität der Währung, sind die höchsten Güter, für die eine Zentralbank kämpfen sollte. Jede direkte oder indirekte Staatsfinanzierung mündet über kurz oder lang in Inflation und damit in die schleichende, aber umso brutalere Enteignung der Lebensersparnisse von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Unabhängigkeit in den vergangenen beiden Jahren zwar nicht rechtlich, aber faktisch eingebüßt. Die schier grenzenlose Liquidität, mit der die EZB die Banken in den vergangen fünf Monaten mit mehr als 1000 Milliarden Euro zu Billigzinsen überschwemmte hat nichts mit einer Geldversorgung zu tun, die sich an den Wachstumsraten der europäischen Volkswirtschaften orientiert. In dieser Geldflut steckt mehr als nur der Keim künftiger Inflation. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sorgt dieses Billigkapital derzeit vor allem für das Überleben so mancher schlecht geführten und am Markt nicht wettbewerbsfähigen Bank in Südeuropa.  Zum anderen produziert diese Geldschwemme, die ja auch von der US-Notenbank im Übermaß praktiziert wird, neue Vermögenswertblasen – bei Rohstoffen etwa oder im Immobilienmarkt.

Die EZB ist inzwischen Gefangene ihrer eigenen geldpolitischen Strategie. Eigentlich müsste sie längst einen Kurswechsel einleiten, um die Überschußliquidität aus dem Geldkreislauf wieder abzuschöpfen. Doch angesichts der fortdauernden Schuldenkrise, der Angst vor dem Kollabieren eines großen Schuldnerstaates wie Spanien, steigt der politische Druck nach noch direkterer Notenbankhilfe ungemein. Und die Mehrheiten in der EZB sind so, dass solide Stimmen – wie die deutsche – immer häufiger in der Minderheit sind. Selbst im aktuellen Frühjahrsgutachten der großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute wird knapp und präzise formuliert: „Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der EZB stehen auf dem Spiel.“

Nach der französischen Präsidentschaftswahl wird der Druck auf die Notenbank erst recht wachsen. Denn auch Frankreich wird dann mit seiner massiven Verschuldung und seiner wirtschaftlichen Schwäche in den Fokus der Märkte rücken.

Die Europäische Notenbank ist in den vergangenen beiden Jahren immer stärker zum Erfüllungsgehilfen einer Politik geworden, die nach wie vor kreditfinanzierte Wohlstandsillusionen predigt.  Die EZB wird nur dann ihre Glaubwürdigkeit als Hüterin der Geldwertstabilität zurückgewinnen können, wenn die Politik in Europa endlich finanzpolitische Solidität liefert: Ausgegeben werden kann nur, was vorher auch erwirtschaftet wurde.