Haushaltskonsolidierung

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , 9 Kommentare zu Schuldenkrise: Der Untergehende rettet den Ertrinkenden

Schuldenkrise: Der Untergehende rettet den Ertrinkenden

Die Lage der Banken scheint ernster zu werden. Nachdem die IWF-Chefin Lagarde die knappe Kapitalaustattung der Banken angeprangert hat, legte gestern die europäische Bankenaufsicht EBA nach. Die Forderung: Der EFSF soll die Möglichkeit haben, direkt Geld an die Banken zu geben, um sie vor Schieflagen zu retten.

Die ganze Situation erinnert an zwei Ertrinkende, die sich gegenseitig aus dem Sumpf ziehen wollen. Erst geraten die Banken in Schwierigkeiten und werden mit Steuergeldern gerettet. Die Folge: Die Verschuldung der Staaten explodiert. Das wiederum bringt deren Kapitalgeber – die Banken –in Schwierigkeiten. Und nun sollen die Banken wieder von den Staaten gerettet werden. Das ist so, als würde ein Schuldner, der von Insolvenz bedroht ist, seine Bank mit Krediten von eben dieser Bank retten.

Die nächste Stufe der Eskalation kann man sich gut vorstellen: Wenn die Banken vom EFSF Geld bekommen, wird der Schutzschirm bald erschöpft sein und mit kreditfinanzierten Staatsmitteln aufgestockt werden müssen. Es ist offensichtlich: Dieses Spiel bringt keine Lösung. Abgesehen davon sind Fehlanreize vorprogrammiert. Die Lehre für Banken und Staaten aus der Krise ist: Gilt man als systemrelevant, kann man tun und lassen was man will. Das kann so nicht weitergehen.

FinanzmarktTagged , , , , , 7 Kommentare zu Euro-Bonds: Die falsche Therapie!

Euro-Bonds: Die falsche Therapie!

Alle Vorgaben aus Maastricht konnten die europäische Schuldenkrise nicht verhindern. Erst mit dem Druck der Finanzmärkte kehrte auch die Haushaltsdisziplin zurück.  Deshalb mögen Finanzpolitiker die Finanzmärkte nicht. Denn deren Bewertungen legen die Finger in eine offene Wunde. Euro-Bonds würden diese disziplinierende Wirkung außer Kraft setzen.

Eine gesamtschuldnerische Haftung führt dazu, dass Defizitländer ihrer Verantwortung enthoben werden. Dagegen wird der Vorteil einer soliden Finanzpolitik vergemeinschaftet, was aber den Anreiz zu einer solchen Politik erodiert. Und über die Kosten, die verlässlichen Schuldenländern wie Deutschland durch die Bonitätsübertragung entstehen würden, kann nur spekuliert werden. Die vom EFSF ausgereichten Euro-Bonds liegen rund 0,8 Prozentpunkte über der Verzinsung der Bundesanleihe. Mit diesem Maßstab entstünden Deutschland Mehrkosten von jährlich 17 Milliarden Euro. Zugleich ist unklar, ob die wenigen AAA-Ratings der Mitgliedsstaaten infolge der gesamtschuldnerischen Haftung überhaupt erhalten blieben. Die Bereitschaft der soliden Euro-Staaten, sich für Europa einzusetzen, dürfte schwinden und der europäische Konsens droht zu zerbrechen.


Dieser Beitrag ist in einer längeren Fassung am 25. August 2011 in der Zeit erschienen.

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , 8 Kommentare zu Positive Effekte von Steuersenkungen nicht unter den Tisch kehren!

Positive Effekte von Steuersenkungen nicht unter den Tisch kehren!

Trotz sprudelnder Steuereinnahmen müssen Bund, Länder und Kommunen weiterhin neue Schulden aufnehmen. Bleibt dann überhaupt noch Spielraum für eine Steuersenkung? Ja.

Denn: Eine Debatte zur Steuerreform darf nicht statisch, sondern muss dynamisch geführt werden. Zwar führt eine Steuersenkung kurzfristig zu Einnahmeverlusten. Mittel- bis langfristig ergeben sich jedoch positive Rückkopplungs- und Multiplikatoreffekte. Diese werden weder theoretisch noch empirisch bestritten. Denn der höhere Nettoverdienst führt in der Regel dazu, dass mehr konsumiert wird, was wiederum direkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sowie die Investitionen stimuliert und damit Wachstumsimpulse aktiviert. Beide Effekte führen unter sonst gleichen Bedingungen zu mehr Steuereinnahmen und könnten somit das Staatsdefizit reduzieren. Eine stärkere Konsumnachfrage erhöht die Umsatzsteuereinnahmen und mehr Investitionen dürften die Unternehmenssteuern ankurbeln. Das Ausmaß der so beschriebenen Selbstfinanzierung bleibt zugegebenermaßen angesichts der damit verbundenen Annahmen unklar, liegt aber wohl unter 50%.

Zudem wird der Zeitraum der Gegenfinanzierung in der Regel unterschätzt. Denn kreditfinanzierte Steuersenkungen werden (ebenso wie Ausgabenerhöhungen) über mehrere Jahre getilgt. Diese Logik gilt sowohl bei Privathaushalten als auch bei der öffentlichen Hand. Ansonsten wäre ein Kredit zur Überbrückung einer temporären Lücke sinnlos. Die in der politischen Argumentation mangelnde Betrachtung der dynamischen Prozesse einer Steuerreform sowie des notwendigen Zeitraums der Gegenfinanzierung zeigen, dass Sorgfalt und Ehrlichkeit bei der Steuersenkungsdebatte nicht selten zugunsten politischer Rhetorik zurückgestellt werden.


Dieser Blogbeitrag resultiert aus der Studie „Haushaltslöcher und Steuerentlastungen – Was ist zu tun?, von Prof. Dr. Bodo Herzog, erschienen in Position Liberal Nr. 99, Herausgegeben vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Potsdam 2011

In der Artikelserie ”Steuerentlastung und Haushaltskonsolidierung” von Prof. Dr. Bodo Herzog im ÖkonomenBlog bereits erschienene Beiträge:
11.08.2011 Wachsen mit geringeren Steuern
18.08.2011 Steuern senken! Aber richtig!

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , 22 Kommentare zu Elterngeld gehört auf den Prüfstand

Elterngeld gehört auf den Prüfstand

Von dem 2007 eingeführten Elterngeld erhofften sich die Befürworter eine deutlich positive Auswirkung auf die Geburten in Deutschland. Im Vergleich zu 2007 ist die durchschnittliche Kinderzahl je Frau (Geburtenziffer) 2010 von 1,37 auf 1,39 gestiegen. Betrachtet man die Entwicklung der letzten 10 Jahre, so pendelte die Geburtenziffer zwischen 1,39 im Jahr 2010 und 1,33 im Jahre 2006. Dieses geringe Auf und Ab hat sich auch nach der Einführung des Elterngeldes fortgesetzt. Ein signifikant positiver Einfluss des Elterngeldes lässt sich hier beim besten Willen nicht konstatieren.

Daher sind die politischen Forderungen nach einer grundlegenden Prüfung der Wirksamkeit des Elterngelds in zwei Jahren mehr als berechtigt. Grundsätzlich sollte die Politik eingeführte Instrumentarien viel stärker auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen. Im Zweifelsfall bedeutet dies, dass die Politik eingestehen muss, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Andererseits bedeutet das Festhalten an nicht zielführenden Instrumentarien nichts anderes als eine Verschwendung von Steuergeldern. Und dies kann sich Deutschland bei der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte mit Sicherheit nicht leisten.

Dies muss natürlich auch für das Elterngeld gelten. Sollte es sich – so wie es derzeit aussieht – als falscher Weg erweisen, muss die Politik nach Alternativen suchen. Schweden setzt beispielsweise konsequent auf ein umfassendes Betreuungsangebot für Kinder. Mit einer Geburtenziffer von 1,98 im Jahre 2009 sind die Schweden mit ihrem Ansatz deutlich erfolgreicher als Deutschland mit dem Elterngeld.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , 2 Kommentare zu Schulden: Kommunen tricksen mit Kassenkrediten

Schulden: Kommunen tricksen mit Kassenkrediten

Die Situation der kommunalen Haushalte hat sich seit Anfang der 90er Jahre zunehmend und drastisch verschlechtert. Grund dafür ist vor allem der starke Anstieg kommunaler Kassenkredite. Diese dienen grundsätzlich einer kurzfristigen Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten. Mit ihrer Hilfe soll die fristgerechte Leistung von Ausgaben zum Zeitpunkt der Fälligkeit ermöglicht werden.

Tatsächlich werden Kassenkredite von vielen Gemeinden zweckentfremdet. Seit Anfang der 90er Jahre  werden immer mehr Kassenkredite zur langfristigen Finanzierung konsumtiver Ausgaben aufgenommen. Dies zeigen zahlreiche Beispiele vieler Kommunen Nordrhein-Westfalens, Niedersachsens oder des Saarlandes. Finanzierungsdefizite wurden dort zunehmend über Kassenkredite finanziert, während die langfristigen Kreditmarktschulden zurückgegangen sind. Der Grund ist, dass es in vielen Kommunalverfassungen bereits Beschränkungen für die Aufnahme von langfristigen, investiven Krediten gibt. Gleichwohl sind die institutionell-rechtlichen Hürden für die Aufnahme von Kassenkrediten gesunken. Beispielsweise wurde 1994 in Nordrhein-Westfalen die Genehmigungsbedürftigkeit für punktuelle Höchstgrenzen von Kassenkrediten nach der Haushaltssatzung abgeschafft. Auch eine Beanstandungspflicht bei einer rechtswidrigen, fortwährenden Prolongierung existiert nicht. In der Folgezeit türmten sich die Kassenkredite zu einem hohen Sockel auf und können nur schwer wieder abgetragen werden.

Vermutlich wird sich die Lage der kommunalen Haushalte zukünftig sogar noch verschärfen. Da sich die Länder im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse ab 2020 nicht mehr verschulden dürfen, die Kommunen aber von der grundgesetzlichen Schuldenbremse ausgeschlossen sind, muss eine Lastenverschiebung zu Ungunsten der Kommunen befürchtet werden. Die Lastenverschiebung kann in Form einer Überwälzung neuer, kostenintensiver Pflichtaufgaben oder durch eine Kürzung von Beteiligungen und Zuweisungen erfolgen. Da die kommunalrechtlichen Restriktionen für die Kassenkreditaufnahme gesunken sind, bleibt zu vermuten, dass die Kommunen dann versuchen, die resultierende Finanzierungslücke über Kassenkredite zu schließen.


Karolin Herrmann ist Referentin für Haushaltspolitik und Haushaltsrecht am Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler.

Dieser Blogbeitrag resultiert aus der Studie Kommunale Kassenkredite – Missbrauchsgefahr und Reformvorschläge von Karolin Herrmann, erschienen als Heft 108 der Schriftenreihe des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler e.V., 116 Seiten, Berlin, Juni 2011.

Weitere Informationen zu diesem Thema:

Kassenkredite erdrücken immer mehr Kommunen – Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 04. August 2011

Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 5 Kommentare zu Schluss mit dem Wohlstand auf Pump!

Schluss mit dem Wohlstand auf Pump!

Lange Jahrzehnte versprach unser Wohlfahrtsstaatsmodell den Menschen ständig wachsenden Wohlstand. Wer etwas leistet, bringt es zu etwas. Auch die kleinen Leute konnten sich durch Einsatz hocharbeiten, ihren Kindern bessere Bildungschancen ermöglichen und ihnen damit fast automatisch auch ein materiell besseres Leben ermöglichen. Abermillionen, die in den vergangenen 50 Jahren geboren wurden, kennen eigentlich nur die materiellen Segnungen unserer Wirtschaftsordnung. Ketzerisch zugespitzt: Vollkasko – aber ohne Selbstbeteiligung!

Doch wer am Wohlstandslack kratzte, konnte schon seit den Siebziger Jahren feststellen, dass der Wohlstand zunehmend kreditfinanziert wurde. Bereits vor vier Jahrzehnten begann das reiche Deutschland damit, soziale Leistungen mit Schulden zu finanzieren. Denn damals stieg erstmals die staatliche Gesamtverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt über den prozentualen Anteil der Sozialausgaben an der Jahreswirtschaftsleistung. Doch wer anfängt, konsumtive Ausgaben mit Krediten zu finanzieren, der baut seinen Wohlstand auf Sand.

Und die Politik: Da wären jetzt Führungspersönlichkeiten gefragt, die der Bevölkerung glaubwürdig die Notwendigkeit von Einschränkungen vermitteln und Mut zu mehr Eigeninitiative und Selbständigkeit machen. Die aussprechen, was viele Bürgerinnen und Bürger von ihnen erwarten: Wahrhaftigkeit und schonungslose Offenheit! Ich habe als Politiker selbst in vielen Jahren erlebt, dass Wählerinnen und Wähler lieber für neue Versprechungen als für Sparvorschläge votieren. Doch in Zeiten der europäischen und amerikanischen Überschuldungskrise gieren immer mehr Menschen nach Klartext: Weniger ist mehr!

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 8 Kommentare zu Wachsen mit geringeren Steuern

Wachsen mit geringeren Steuern

Über Jahrzehnte hat Deutschland über seine Verhältnisse gelebt. Das Ergebnis: Eine exorbitante  Staatsverschuldung. Mit den Konjunkturpaketen der letzten Jahre sind die Schulden nochmals gestiegen – auf nunmehr über 2 Billionen Euro. Ohne eine energische Konsolidierung der öffentlichen Haushalte droht Deutschland immer stärker im Schuldensumpf zu ersticken. Ab heute wird Prof. Dr. Bodo Herzog in den kommenden Wochen, jeweils Donnerstags, in einer Artikelserie erläutern, warum Steuersenkungen und die dringend nötige Haushaltskonsolidierung kein Widerspruch sind.

Die fatalen Auswirkungen übermäßiger Staatsverschuldung, die Europa derzeit erlebt, befeuern auch in Deutschland die Debatte nach dem richtigen Weg der Haushaltskonsolidierung. Eine solide Finanzpolitik ist dringend notwendig, denn Konjunkturpakete und Finanzmarktstabilisierung haben den ohnehin schon hohen Schuldenberg nochmals gewaltig wachsen lassen. Neben einer soliden Finanzpolitik gilt es jedoch den Blick für eine nachhaltige, d. h. aber auch wachstumsfreundliche, Wirtschaftpolitik nicht zu verlieren.

In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick nach Schweden. Inmitten der Finanzkrise beschloss die Schwedische Regierung Steuererleichterungen. Einerseits um damit positive Konjunktursignale zu setzen und andererseits um einen Teil der Gegenfinanzierung mit zukünftigen Wachstumsperspektiven zu erreichen. In einer empirischen Studie – publiziert in der renommierten Zeitschrift American Economic Review im Jahr 2010 – bestätigen die beiden berühmten Makroökonomen Christina Romer und David Romer die positive Wirkung eines Steuerimpulses auf das Wirtschaftswachstum. Kurzum: Eine steuersystematische Entlastung der Bürger stärkt Leistungsanreize und damit langfristig Wachstumskräfte, indem Investitionen stimuliert und damit die Kapitalbildung angeregt werden. Zugleich wird das Lohnabstandsgebot im unteren und mittleren Einkommensbereich gestärkt. Angesichts der von der Deutschen Bundesregierung beschlossenen Erhöhung der Regelsätze im Arbeitslosengeld II drängt eine solche Maßnahme für die immer kleiner werdende Mittelschicht mehr denn je. 


Prof. Dr. Bodo Herzog ist seit dem Jahr 2008 Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere für Geldpolitik und Makroökonomik an der ESB Business School, Hochschule Reutlingen. Zuvor war er u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Dieser Blogbeitrag resultiert aus der Studie „Haushaltslöcher und Steuerentlastungen – Was ist zu tun?, von Prof. Dr. Bodo Herzog, erschienen in Position Liberal Nr. 99, Herausgegeben vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Potsdam 2011

Literaturhinweis: C. Romer and D. Romer (2010), The Macroeconomics Effects of Tax Changes: Estimates Based on a New Measure of Fiscal Shocks, American Economic Review, Vol. 100, p. 763-801.

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , 8 Kommentare zu Börsenbeben: Keine neue Weltwirtschaftskrise in Sicht

Börsenbeben: Keine neue Weltwirtschaftskrise in Sicht

Nach drastischen Kursstürzen ist sie wieder da, die Angst vor einer neuen Weltwirtschaftskrise. Doch vieles spricht dafür, dass ein solches Szenario wenig plausibel ist. Zum ersten gibt es keinen schockartigen Event wie im Falle der Lehman Insolvenz und alle Staaten packen mehr oder weniger angemessen ihr Schuldenproblem an. Zweitens hat sich in den Jahren 2009 und 2010 gezeigt, wie wenig die Industrie in ihrer Finanzierung durch Finanzmärkte und Banken beschränkt wurde. Die oftmals befürchtete Kreditklemme blieb aus. Schließlich zeichnet sich gegenwärtig auch nicht ab, dass das Bankensystem in gleicher Weise wie vor drei Jahren destabilisiert werden könnte.

Was aber kann die Politik in der gegenwärtigen Situation machen? Wenig hilfreich ist der Versuch von Barroso, den Märkten hinterherzulaufen. Dies könnte als ein Eingeständnis bewertet werden, dass die Politik ihre eigenen Beschlüsse von Ende Juli als unzureichend bewertet. Vielmehr sollte konsequent an den Sanierungsmaßnahmen der öffentlichen Haushalte festgehalten werden und dies auch ausreichend kommuniziert werden. Dahingegen erscheint es zweifelhaft, ob eine Marktintervention durch die Zentralbanken etwas zur Lösung des Problems beitragen kann.


Dieser Beitrag ist zuerst als längere Fassung auf handelsblatt.com erschienen.

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 8 Kommentare zu EU-Stabilitätspakt zwischen Wunsch und Wirklichkeit

EU-Stabilitätspakt zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Die Schuldenberge in Europa zeigen: Der bisherige Stabilitäts- und Wachstumspakt war ein zahnloser Tiger. Dies will man nun ändern. Erstens wollen die Staaten mehr Gewicht als bisher auf den absoluten Schuldenstand legen und nicht wie bisher, nur die laufenden Defizite kontrollieren. Länder, deren Schulden 60 Prozent des BIPs übersteigen, sollen verpflichtet werden, die Verschuldungsquote zu senken. Zweitens sollen die Sanktionen automatisch in Kraft treten – es sei denn, der europäische Rat stimmt mit einer qualifizierten Mehrheit dagegen.

Doch reicht das? Prinzipiell ist es richtig, auch das Niveau der Staatsverschuldung stärker zu überwachen. Doch die neue Konstruktion ist zweifelhaft. Die Vorgabe lautet: Wer eine Schuldenquote von 60 Prozent überschreitet, muss den überschießenden Betrag jährlich um ein Zwanzigstel reduzieren. Italien müsste danach seine Schuldenquote in einem Jahr von 120 auf 117 Prozent senken. Zweifelsohne klafft hier zwischen Wunsch und Wirklichkeit eine große Lücke. Gleichzeitig wirkt die neue Regel prozyklisch. In konjunkturell guten Zeiten wären nämlich höhere Defizite erlaubt, in schlechten Zeiten dagegen müssten sogar Überschüsse erwirtschaftet werden. Finanzpolitisch sinnvoll wäre es aber umgekehrt.

Wie sähe eine sinnvolle Reform aus? Ziel ist es, ein ausgeglichener Haushalt zu erreichen. Da die Lage der Mitgliedsstaaten aber sehr unterschiedlich ist, sollte ein individueller Schuldenabbaupfad für das Defizit vereinbart werden. Als Vorbild könnte die deutsche Schuldenbremse dienen. Nötig sind aber auch glaubwürdige Sanktionen bei Regelverletzungen. Ein Automatismus, der sich nur durch Einstimmigkeit blockieren lässt wäre glaubwürdig. Auch weil sich Regierungen vor ihren Wählern nicht darauf berufen können, sie hätten die Sanktion nicht verhindern können.


Die Langfassung des Beitrages „Gewaltige Lücke“ ist erschienen in der Ausgabe der WitschaftsWoche vom 1. August 2011.

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , 3 Kommentare zu Staat gesund nutzen

Staat gesund nutzen

Buchbesprechung: „Sharper Axes, Lower Taxes – Big Steps to a Smaller State“

Wer in den letzten Monaten eine britische Zeitung gelesen hat, konnte leicht den Eindruck gewinnen, der britische Staat sei gerade mit seiner eigenen Abschaffung beschäftigt. Wann immer vom Sparpaket der Regierung die Rede war, wimmelte es nur so von dramatischen Formulierungen und blutigen Metaphern.

Kein Wunder also, wenn die große Mehrheit der Bevölkerung die Größenordnung des Sparpaketes völlig falsch einschätzt. 70% glauben, der Schuldenstand würde bis 2015 deutlich sinken. Schön wär’s; was sinkt, ist lediglich die Neuverschuldung. Das Sparpaket ist, allem Geschrei zum Trotz, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Staatsausgaben werden real um 0,7% pro Jahr fallen, womit die Staatsquote bis 2015 wieder auf das Niveau von 2007 zurückfallen wird. Die Gesamtverschuldung wird dabei immer noch um £350 Mrd. zunehmen.

Um die Perspektive wieder etwas zurechtzurücken, hat das Institute of Economic Affairs (IEA) in London nun einen Sammelband herausgegeben, in dem elf Autoren zeigen, wie ein wirklich gründliches Sanierungsprogramm der Staatsfinanzen aussehen würde. Der Ansatz der Autoren ist nicht die „Rasenmähermethode“, denn bei dieser bleiben staatliche Ausgabenprogramme in ihrer Struktur unangetastet, und werden nur ein wenig zurechtgestutzt. In „Sharper Axes, Lower Taxes“ wird strategischer an die Sache herangegangen.

Es werden Ausgabenbereiche identifiziert, in denen Verhältnis von Aufwand und Ertrag des staatlichen Handelns besonders miserabel ist. Darauf aufbauend werden Strategien für einen geordneten Rückzug des Staates aus vielen Lebensbereichen ausgearbeitet. Diese grundsätzliche Herangehensweise macht die Vorschläge des Buches prinzipiell auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar.

Mit diesem Programm würde die Staatsquote innerhalb einer einzigen Legislaturperiode auf unter 30% gesenkt. Der Freibetrag der Einkommenssteuer könnte mehr als verdoppelt, und der Steuersatz auf 15% gesenkt werden. Mehrere Steuerarten könnten komplett abgeschafft werden. Die jährliche Wachstumsrate der britischen Wirtschaft würde in der Folge um einen Dreiviertelprozentpunkt steigen. Die noch verbleibenden Staatseinnahmen würden immer noch spielend leicht ausreichen, um den ärmsten Haushalten Zugang zu Bildung und Gesundheit zu ermöglichen.

Wem diese Vorschläge radikal erscheinen, der sollte bedenken, dass bis in die frühen 1960er fast alle OECD-Länder Staatsquoten von um die 30% aufwiesen. In besonders erfolgreichen Ländern wie Japan und der Schweiz beanspruchte der Staat damals gar weniger als 20% der Wirtschaftsleistung.

Von solchen Verhältnissen wäre Großbritannien selbst bei vollständiger Umsetzung des in diesem Buch vorgestellten Programms noch weit entfernt. Vielleicht ein Thema für einen Band 2?

Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 24 Kommentare zu Gewitterwolken am Konjunkturhimmel

Gewitterwolken am Konjunkturhimmel

„Neues deutsches Wirtschaftswunder“ und „Turboaufschwung“: Mit diesen Attributen verklärte die Politik in den vergangenen 12 Monaten die Konjunkturlage im Land. Doch mitten in der Sommerpause wird deutlich, dass sich die seit Monaten verschlechternden Frühindikatoren bereits auf die Geschäftserwartungen der Unternehmen negativ auswirken.

Paradox dabei: Wohl selten hat eine Bundesregierung, trotz guter Konjunkturlage und deutlich gestiegener Beschäftigung, so wenig davon profitiert. Paradox ist aber auch, dass die vordergründige konjunkturelle Stärke die Handlungsfähigkeit der Politik lähmt, obwohl eine Vielzahl struktureller Baustellen dringend einer Lösung harrt. Da ist zum einen die Überschuldung der öffentlichen Haushalte. Wer thematisiert noch offensiv, dass Deutschland selbst im „Turboaufschwung“ nach wie vor Dutzende Milliarden Euro neuer Schulden macht

Zerknirscht stellen die Statistiker fest, was Millionen von Bürgern seit Jahr und Tag schmerzlich spüren: Die Kaufkraft des verfügbaren Einkommens tritt auf der Stelle oder sinkt gar. Zwar stiegen die Bruttoeinkommen, aber höhere Sozialversicherungsbeiträge und die Steuerprogression in der Einkommensteuer fraßen den Zuwachs nahezu auf. Den Rest des Kaufkraftschwundes erledigte die Geldentwertung. Doch dieses Phänomen ist bei Lichte betrachtet doch die logische Konsequenz einer Haltung, die immer mehr Aufgaben an den Staat delegiert. Je älter eine Gesellschaft aber wird, je länger und umfänglicher wir Bürger Leistungen des Staates für uns in Anspruch nehmen können, umso höher muss die Zeche für diejenigen sein, die das alles bezahlen

Nur wenn die Politik die steigenden Kosten des demographischen Wandels vom Lohneinkommen entkoppelt – durch ein Prämiensystem in der Kranken- und Pflegeversicherung etwa -, wird sie den Arbeitnehmern künftig noch reale Einkommenszuwächse verschaffen können. Und nur eine Politik, die das Einkommensteuerrecht auf Fairness, Transparenz und Leistungsfreundlichkeit trimmt und sich statt Tippelschritten auf ein Paul Kirchhof-Modell einlässt, erntet langfristige Prosperität in unserem Land. Und nur wer die Privilegien unseres öffentlichen Dienstes, vor allem des Berufsbeamtentums, ernsthaft beschneidet, wird den Kollaps der Länderhaushalte verhindern, die gewaltig unter den exorbitant steigenden Pensionsausgaben leiden. Ich will nicht Kassandra spielen, die Ihnen den Sommer zusätzlich vermiest. Aber glauben Sie ernsthaft an den für diese Herkulesaufgaben notwendigen Elan der Politik?

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 1 Kommentar zu Keine Euro-Rettung ohne TARGET2-Reform!

Keine Euro-Rettung ohne TARGET2-Reform!

Von Prof. Dr. Andreas Freytag und Dr. Christian Fahrholz

Die von Hans-Werner Sinn eröffnete Debatte um das sogenannte Target-2-System der Zentralbanken bewegte sich bisher vornehmlich auf der monetären Ebene. Realwirtschaftlich wurde das Problem bisher aber wenig durchleuchtet.

Das Target-2-System stellt sicher, dass der Zahlungsverkehr zwischen den Zentralbanken des Euro-Systems funktioniert. Die starke Ausweitung der Target-2 Salden in den Bilanzen der nationalen Zentralbanken ist einerseits dadurch bedingt, dass der private Sektor Wertpapieranlangen in der Peripherie auflöst und in die Kernländer umschichtet. Jenseits dieser finanziellen Konsolidierung bzw. Kapitalflucht finanzieren die Peripherieländer weiterhin Warenimporte über die Zentralbankgeldschöpfung im Target-2-System. Das hat realwirtschaftliche Konsequenzen.

Die über Target-2 finanzierten Warenimporte in die Peripherie zementieren so die dortigen nicht wettbewerbsfähigen Produktionsstrukturen und befeuern auf der anderen Seite den Export und die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Zu Vor-Euro-Zeiten hätten Wechselkursbewegungen frühzeitig einen Strukturwandel ausgelöst. Das gegenwärtige System verschärft jedoch die realwirtschaftliche Fehlallokation und macht Kreditereignisse in der Peripherie wahrscheinlicher. Sollte ein Peripherieland als insolvent eingestuft werden und aus dem Euro austreten, muss die EZB, die in ihrem Besitz befindlichen Staatsanleihen abschreiben genauso wie die Bundesbank ihre Target-2-Forderungen. Die mögliche Belastung für die deutschen Steuerzahler beläuft sich bereits gegenwärtig in etwa auf Höhe des jährlichen Bundeshaushalts.

Was also tun? Aus der Theorie des Marktversagens ergeben sich drei Alternativen. Erstens: Die Politik könnte eine Obergrenze für Target-2-Salden einführen. Zweitens: Die EZB könnte einen Sonderabschlag für Staatsanleihen, die sie als Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte entgegen nimmt, erheben – also eine Art Pigou Steuer. Und Drittens – eine überaus effiziente Alternative: Man schafft einen Markt für Verschuldungsrechte im Euro-Raum,  in dem man eine Höchstgrenze des Kreditwachstums festlegt. Die Länder bekämen anteilig Verschuldungsrechte zugeteilt, die sie untereinander handeln könnten. Negative Externalitäten durch übermäßige Verschuldung wären damit weitestgehend ausgeschaltet. Ohne Reform des Target-2-Systems laufen andere Reformen ins Leere und eine Rettung des Euro würde in immer weitere Ferne rücken.


Dr. Christian Fahrholz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Graduiertenkolleg Global Financial Markets an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Der Beitrag ist eine Zusammenfassung des Working Papers “Realwirtschaftliche Aspekte der gegenwärtigen Krise im Eurosystem: Ursachen, Wirkungen und Reformansätze”.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 1 Kommentar zu Steuersenkung ist kein Geschenk

Steuersenkung ist kein Geschenk

Der Staat brauche jeden Euro zur Konsolidierung der Finanzen sagen die meisten Politiker, Politikberater und Volkswirte. Die Bürger müssten auf Geschenke verzichten, den Gürtel weiter eng schnallen und ihren Beitrag zur Gesundung der öffentlichen Finanzen leisten. Die Wahrheit ist: Die deutschen Bürger haben diesen Beitrag schon längst geleistet. Innerhalb von nur drei Jahren (2005-2008) konnten Bund, Länder und Gemeinden ihre Steuereinnahmen von 452 auf 561 Mrd. Euro steigern. Ergebnis waren in den Jahren 2007 und 2008 erstmals seit langem deutschlandweit Überschüsse in den öffentlichen Kassen, bewirkt vor allem durch wirtschaftliches Wachstum sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozentpunkte, wohlgemerkt: eine Steuer auf den Endverbrauch aller deutschen Bürger!

Dann erst folgte die globale Finanzkrise und mit ihr ein Einbruch des Steueraufkommens um 37 Mrd. Euro in 2009. Schon in 2010 gab es aber eine leichte Erholung um 7 Mrd. Euro. Die Steuerschätzung vom Mai rechnet für 2011 und die darauf  folgenden Jahre bis 2015 mit kräftigen Zuwächsen von durchschnittlich 4,2 Prozent pro Jahr, in absoluten Zahlen: 121 Mrd. Euro. Es ergibt sich somit in den zehn Jahren 2005 bis 2015 ein erwartetes Steuerplus von exakt 200 Mrd. Euro. Von zunehmender öffentlicher Armut kann also überhaupt nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil: Schon Mitte dieses Jahrzehnts könnte die Erfüllung der Kriterien der Schuldenbremse von der Einnahmenseite her in Reichweite sein.

Wo liegt der Hauptgrund für diese positive Entwicklung? Nicht der Staat hat gespart, sondern die deutsche Wirtschaft wächst, und zwar viel schneller und robuster als noch Mitte des letzten Jahrzehnts vermutet. Ergebnis: Das Steueraufkommen steigt, und zwar bei praktisch allen Steuerarten. Die deutsche Wirtschaft ist eben höchst wettbewerbsfähig geworden, und dies verdankt sie ihrer Leistungskraft, letztlich also vor allem ihren Beschäftigten. Die sind im vergangenen Jahrzehnt erheblich produktiver geworden, haben aber dafür nur ganz moderate Lohnsteigerungen erhalten. Die Reallöhne gingen sogar im Trend zurück, genauso wie die Lohnstückkosten. Eine Steuersenkung ist heute alles andere als ein Geschenk. Darüber hinaus ist sie ein  durchaus vernünftiges Instrument zur allseits erwünschten Stärkung der Binnennachfrage.


Die Langfassung dieses Blogbeitrages ist als Namensartikel unter dem Titel „Der Obrigkeitsstaat meldet sich zurück“ am 11. Juli 2011 im Handelsblatt erschienen.

 Weitere Blogbeiträge zu diesem Thema:

*Heimliche Steuererhöhung vermeiden – Von Dr. Alfred Boss
*Gibt es Chancen auf Steuersenkungen? – Von Prof. Dr. Rolf Peffekoven

Europa, FinanzmarktTagged , , , , , , , 2 Kommentare zu Euro Gipfel: Der große Wurf oder Spiel auf Zeit?

Euro Gipfel: Der große Wurf oder Spiel auf Zeit?

Der Euro-Sondergipfel hat ein neues Rettungsprogramm für Griechenland beschlossen. Zu den bereits gewährten 110 Mrd. Euro aus dem vergangenen Jahr erhält Griechenland weitere 109 Mrd. Euro für fällige Anleihen und Schulden aus dem Rettungsfonds EFSF. Zudem werden die Laufzeiten von 7,5 auf 15 Jahre verlängert und die Zinsen für die Kredite auf 3,5 Prozent gesenkt. Der private Sektor beteiligt sich mit 37 Mrd. Euro bis zum Jahr 2014 am Fonds. Durch den Rückkauf von griechischen Anleihen mit einem Abschlag kommen weitere 12,6 Mrd. Euro hinzu. War das der große Durchbruch oder bleibt Griechenland ein Fass ohne Boden?

Der FDP-Finanzexperte und ÖkonomenBlog Autor Frank Schäffler sagt gegenüber Spiegel-Online: “Ohne eine Austrittsmöglichkeit aus dem Euro bringt der Schuldenschnitt nichts, sondern Griechenland wird weiter dauerhaft am Tropf der Geberländer hängen. (…). Das Modell widerspricht auch dem Beschluss des Bundestags zum Euro vom Februar, in dem festgelegt wurde, keine Rückkaufprogramme für Schulden zu finanzieren.“

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Prof. Wolfgang Franz, hält die vereinbarte Umschuldung griechischer Anleihen für nicht ausreichend. “Eine weitergehende Entschuldung um 50 Prozent wäre für Griechenland sicher besser gewesen“, sagte er der Rheinischen Post. Prof. Peter Bofinger stimmt dem zu. “Die Schuldenlast hätte um 50 Prozent reduziert werden müssen, damit das Land auf die Beine kommen und an die Kapitalmärkte zurückkehren kann”, sagte das Mitglied des Sachverständigenrats. Positiv hingegen bewertet Bofinger die vereinbarte Zinssenkung. “Das ist für mich der entscheidende Punkt: Wenn öffentliche und private Gläubiger Griechenland die Kredite für Zinsen von nur noch 3,5 Prozent geben, ist das ein großer Fortschritt”

Deutliche Kritik an den Vereinbarungen übte der Direktor des Münchner Ifo-Instituts Hans-Wernder Sinn. Der FAZ sagte er: „Die Sozialisierung der Schulden in Europa geht munter weiter. (…) Das zusätzliche Geld, das den Griechen jetzt fast schon geschenkt wird, wird nie wieder zurückkommen.“ Ohne Zinsunterschiede falle die Disziplinierung durch die Märkte weg.

Auch der Bund der Steuerzahler übt deutliche Kritik: “Es ist fahrlässig, dass die EU-Regierungschefs den Steuerzahlern weitere Haftungsrisiken für Griechenland im Umfang von 109 Milliarden Euro unter Beteiligung des Internationalen Währungsfonds aufgebürdet haben”, sagt Verbandsvizepräsident Reiner Holznagel dem Handelsblatt.

Eine Überischt über die Ergebnisse des Euro-Sondergipfels finden Sie hier.

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 2 Kommentare zu Schuldenkrise verlangt Lösung

Schuldenkrise verlangt Lösung

Der Kampf gegen die Schuldenkrise geht heute in Brüssel in die nächste Runde. Das Krisenhandeln der europäischen Staaten hat bisher weder die Kapitalmärkte noch die Wähler überzeugt. Mit den neuen Unsicherheiten in Italien erreicht die Schuldenkrise eine neue Qualität. Jetzt müssen Lösungen auf den Tisch.

Am Anfang muss ein ehrlicher Befund stehen. Die Probleme Griechenlands sind andere als die von Portugal, Spanien, Italien und Irland. Spanien und Italien haben keine Solvenzprobleme, sondern Schwierigkeiten sich Liquidität am Markt zu besorgen. Hier wirken vor allem politische Verunsicherungen, aber die fundamentalen Daten sprechen dafür, dass die Tragfähigkeit der Finanzen wieder hergestellt werden kann. Irland und Portugal haben transitorische Strukturprobleme – hier Banken, dort konsumtive Überdehnung der volkswirtschaftlichen Möglichkeiten, aber keine grundlegenden Verwerfungen.

Anders Griechenland. Seit 1975 gab es dort keinen Überschuss in der Leistungsbilanz mehr. Trotz Konsolidierungsanstrengungen besteht noch immer ein Solvenzproblem. Eine Umstrukturierung der Staatsschuld scheint unvermeidlich. Bleibt die Frage: wie und wann? Eine offene Umschuldung scheint angesichts der globalen Risiken unverantwortlich. Noch ein Kriseneinsatz wie nach Lehmann können sich die Staaten nicht mehr leisten. Eine Alternative muss her.

Marktschonender wäre ein Aufkauf notleidender Staatsanleihen durch die Schuldner. Das notwendige Kapital könnte der EFSF zu einem relativ niedrigen Zinssatz bereitstellen. Die Käufe würden die Gläubiger in Höhe der Differenz zwischen Nennwert und Marktwert beteiligen. Allerdings müssten zusätzlich Mittel für die Bedienung laufend fälliger Anleihen bereitgestellt werden. Zudem wäre eine schnelle Umsetzung dieser Rückkauflösung ohne „Default“ möglich.


Die Langfassung dieses Beitrags ist in Zusammenarbeit mit Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank, entstanden und am 19.07. in der WELT erschienen.

Weitere Beiträge zur Schuldenkrise im ÖkonomenBlog:
*Deutsche Einheit: Ursprung heutiger Schuldenkrise in Europa? – Von Prof. Gunther Schnabl
*Ein Sanierungskonzept für Griechenland – Von Prof. Ulrich van Suntum
*Wer kontrolliert die Ratingagenturen? – Von Prof. Thomas Straubhaar