Wachstum

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 14 Kommentare zu Teuer und am Ziel vorbei

Teuer und am Ziel vorbei

Mitnahmeeffekte und Wettbewerbsverzerrung – dies sind die bekannten Resultate von Subventionen. Trotz dieser schädigen Wirkungen für Markt und Staat greift die Politik immer gern zu diesem Instrumentarium, um als gesellschaftlich notwendig erachtete Ziele zu verfolgen. So wurde vor einigen Jahren die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienst- und Handwerkerleistungen ausgeweitet, um auf diesem Wege die Schwarzarbeit zu bekämpfen. Der nun vorliegende Befund des Bundesrechnungshofes ist eindeutig: Der gewährte Steuervorteil trägt kaum dazu bei, die Schattenwirtschaft zu bekämpfen. Vielmehr werden vielfach Leistungen gefördert, die ohnehin legal bezogen worden wären. Diese Mitnahmeeffekte belaufen sich laut Bundesrechnungshof auf 70 Prozent der untersuchten Handwerksleistungen und 30 Prozent der haushaltsnahen Dienstleistungen.

Nach Schätzungen der Bundesregierung liegen die Steuermindereinnahmen aufgrund der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen für die Jahre 2007 bis 2009 bei jährlich 3,2 Milliarden Euro, 2010 werden sie bei 4,1 Milliarden Euro liegen. Auch das Fazit des Bundesrechnungshofes ist eindeutig: Diese Steuervergünstigung ist zu teuer, geht am Ziel vorbei und gehört folglich abgeschafft.

Statt über einzelne Entlastungsmaßnahmen den Markt nur weiter zu verzerren und zu regulieren, ist es an der Zeit, endlich eine umfangreiche Steuerreform anzupacken, die zu hohen Entlastungen aller Bürger sowie einer deutlich reduzierten Staatsfunktion führt.


Hier geht es zum Bericht des Bundesrechnungshofes.

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , 6 Kommentare zu Betreuungsgeld kostet Wachstum

Betreuungsgeld kostet Wachstum

Zunehmend gefährdet die galoppierende Verschuldung die zukünftigen Wachstumsaussichten in Deutschland. Eine beherzte Sanierung der Staatshaushalte ist daher das Gebot der Stunde. Alle bestehenden und derzeit in der Debatte befindlichen Staatsausgaben sollten insofern einem Kosten-Nutzen-Kalkül unterzogen werden. Dies gilt auch für das ab 2013 geplante Betreuungsgeld. Dieses soll in Höhe von 150 Euro pro Monat an Familien mit Kindern unter drei Jahre gezahlt werden, die keine öffentlich finanzierte Betreuungseinrichtung besuchen.

Die Fürsprecher des Betreuungsgeldes argumentieren vor dem Hintergrund des bis 2013 geplanten Ausbaus der öffentlichen Kinderbetreuung, dass die Einführung nur gerecht wäre: Denn Eltern, die ihre Kinder zu Haus erziehen zu wollen, sollten vom Staat in gleicher Weise unterstützt werden, wie Eltern, die ihre Kinder in öffentlichen Einrichtungen betreuen lassen wollen. Unberücksichtigt bleiben bei dieser Argumentation aber, dass der deutsche Staat das Alleinverdienermodel bereits heute stark fördert. So ist beispielsweise der nicht erwerbstätige Teil der Familie kostenlos in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung mit versichert.

Darüber hinaus setzt das Betreuungsgeld den Anreiz, sich aus der Erwerbstätigkeit zurückzuziehen. Im Regefall wird dies bedeuten, dass sich Frauen vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Daher wird die ohnehin schon im Vergleich zu ausgewählten OECD-Ländern geringe Quote der erwerbsfähigen Frauen sinken. Vor dem Hintergrund eines bereits heute einsetzenden und sich künftig noch verschärfenden Fachkräftemangels würde sich dieses zweifelsohne negative auf das Wachstum in Deutschland auswirken.


Der Beitrag ist eine Zusammenfassung der Kurzstudie von Tatjana Kleineberg und Prof. Dr. Axel Plünnecke: Zum ökonomischen Nutzen des Betreuungsgeldes vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung, Köln 2011. (pdf-Download)

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und Finanzen, UmweltTagged , Leave a Comment on Das Ende der Welt – oder rettet den Rohstoff!

Das Ende der Welt – oder rettet den Rohstoff!

Buchkritik: Detlef Aufderheide und Martin Dabrowski: Effizienz und Gerechtigkeit bei der Nutzung natürlicher Ressourcen. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven der Rohstoff-, Energie- und Wasserwirtschaft, Berlin 2010

Die Rohstoffversorgung wird die große Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Doch wie verantwortungsvoll gehen wir wirklich mit unseren Lebensgrundlagen und der Welt von morgen um? Eines steht fest, sie wird mit der Welt, die wir kennen, nicht mehr viel zu tun haben. Detlefs Aufderheide und Martin Dabrowskis Sammelband ist ein Weckruf in dringender Zeit. Wir können nicht so weitermachen. Wir brauchen endlich eine systematische, gerechte und schonende Nutzung unserer natürlichen Ressourcen. 

Ohne Öl geht nichts. Es gäbe keine Kunststoffe, kein Düngemittel, keine Medikamente, keine Waschmittel, keine Schmierstoffe, keine Kosmetika, kein Asphalt, keine Flugzeuge. Oder glauben Sie, dass ein Flugzeug jemals von Brennstoffzellen oder Batterien angetrieben werden wird? Rohöl gilt als der mit Abstand wichtigste Rohstoff der Welt. Es bestimmt fast 45 Prozent des weltweiten Produktionsvolumens sämtlicher Rohstoffe. Auch deswegen ist der Ölpreis an den Rohstoffmärkten der mit Abstand wichtigste Wert.

Wie erschreckend abhängig unsere industrielle Wirtschaft und technische Zivilisation vom Erdöl ist, kann man gar nicht oft und laut genug sagen. Das aktuelle Problem ist der steigende Rohstoffpreis – doch viel dramatischer wird es sein, wenn in nicht allzu ferner Zukunft der Tag kommt, an dem es zu Öl keine Alternative gibt. Wer darauf vorbereitet sein will, sollte den Sammelband von Detlef Aufderheide und Martin Dabrowski lesen.

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Bürokratie, Steuern und FinanzenTagged , , , 10 Kommentare zu Weniger Bürokratie durch einfache Steuern

Weniger Bürokratie durch einfache Steuern

Bei der Entlastung der Wirtschaft durch Bürokratieabbau fehlen noch 5,8 Mrd. Euro.

Lange Zeit wurde in Deutschland über die bürokratische Überregulierung diskutiert. Geschehen ist nicht viel. Als 2006 das Statistische Bundesamt nachzählte, kam es zu einem denkwürdigen Befund: Nicht weniger als 9.332 Informationspflichten bürdete die deutsche Bürokratie der Wirtschaft auf. Die daraus resultierenden jährlichen Kosten wurden auf rund 50 Milliarden Euro geschätzt. Nunmehr war der Politik offensichtlich klar geworden, dass die Zeit des Redens vorbei ist. Beschlossen wurde ein systematischer Bürokratieabbau, der die Wirtschaft bis Ende 2011 um 25 Prozent, also 12,5 Milliarden Euro, entlasten sollte.

Anfangs erwies sich der angestrebte Bürokratieabau noch als vergleichsweise leicht, sodass bis Ende 2010 nach Angaben der Bundesregierung die Unternehmen um 6,7 Milliarden Euro entlastet werden konnten. Seit geraumer Zeit gerät der Bürokratieabbau jedoch zunehmend ins Stocken. Um das angestrebte Ziel zu erreichen, müsste die Regierung die Unternehmen noch von einer bürokratischen Belastung von 5,8 Milliarden Euro befreien. Schwer, aber nicht unmöglich. Denn nach wie vor gibt es Bereiche mit immensem bürokratischem Abbaupotential. Insbesondere eine Steuervereinfachung würde die Regierung dem angestrebten Ziel näher bringen.

Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 11 Kommentare zu Starke Bürger statt starker Staat

Starke Bürger statt starker Staat

Lange wurde in der globalen Finanzwelt wie in der gesellschaftspolitischen Debatte verdrängt, dass unsere Marktwirtschaft immer stärker zur Pumpwirtschaft degeneriert ist. Vor allem in den entwickelten Industriestaaten hat sich über viele Jahrzehnte ein System etabliert, das sich selbst in konjunkturellen Wachstumsphasen nur zu gern der Droge Kreditaufnahme bediente. Sparen wurde zum Fremdwort in der Politik und euphemistisch umdefiniert in „Reduzierung der Nettokreditaufnahme“. Die Folgen sind heute überall zu besichtigen: Mit Krediten wird nicht vorrangig in die Wertschöpfung der Zukunft investiert, also in erstklassige Bildung und die Substanzerhaltung und den Ausbau der Infrastruktur. Kredite werden vor allem dafür gebraucht, um die Zinsen für die hohe Staatsschuld begleichen zu können. Und mit Krediten werden auch zunehmend sozialstaatliche Leistungen bezahlt.

Machen wir uns nichts vor: Längst überfällig ist eine öffentliche Debatte darüber, wie wir die Ansprüche an den „starken Staat“, den sich derzeit so viele zurückwünschen, zurückschrauben können. Denn ein starker Staat macht in Wahrheit die Bürger arm, weil seine Stärke auf tönernen, weil kreditfinanzierten Füßen steht. Dieser starke Staat wird den Bürgern immer höhere Preise in Gestalt von Steuern und Abgaben abverlangen. Er wird aber gleichzeitig auch ihre Ersparnisse durch die Inkaufnahme von hoher Geldentwertung enteignen. Die Antwort auf die globale Malaise liegt für mich in einer Wiederentdeckung des starken Bürgers. Eines Bürgers, der sich nicht hilflos dem vermeintlich „starken Staat“ ausliefert, sondern in Familie und Gesellschaft Gemeinsinn lebt. Der nicht Untertan ist, sondern sich seiner persönlichen Verantwortung selbstbewusst und in Würde stellt, weil er weiß, dass unser Gemeinwesen ansonsten kollabieren muss.

Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 7 Kommentare zu Lehrerbesoldung: Leistung muss sich lohnen

Lehrerbesoldung: Leistung muss sich lohnen

Seit die OECD in regelmäßigen Abständen die PISA-Untersuchungen veröffentlicht, steht das Abschneiden der Schüler im Zentrum der Aufmerksamkeit: effektive Lehrpläne, sinnvolle Bildungsetats und ganze Schulsysteme werden seitdem untersucht.

Nun hat sich erstmals eine amerikanische Studie mit der Effektivität der Lehrer beschäftigt. Demnach hat die Qualität des Lehrpersonals drastische Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten der Schüler und damit auf deren spätere Einkommenschancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahlen der amerikanischen Wissenschaftler sind gravierend: Ob ein Lehrer qualitativ guten Unterricht anbietet, beeinflusst das Lebenseinkommen seiner Schüler positiv im Wert von mehreren Hunderttausend Dollar. Damit rückt erstmals der materielle Wert eines Lehrers für seine Schüler – und letztendlich für die gesamte Gesellschaft – in den Fokus.

Leider werden – auch in Deutschland – Lehrer noch fast ausschließlich nach ihrem formalen Bildungsabschluss und ihrer Berufserfahrung bezahlt. Dahingegen wird die pädagogische Leistung kaum honoriert. Für die Lehrer gibt es insofern kaum Anreize, den Schülern den bestmöglichen Unterricht zu gewährleisten. Die Schlussfolgerung der Studie liegt auf der Hand: Die Besoldung der Lehrer sollte sich viel stärker an der pädagogischen Leistung der Lehrer orientieren. Denn Leistung muss sich lohnen – auch für Lehrer.


Zur Grafik: Obwohl Lehrer in Deutschland im internationalen Vergleich zu den Spitzenverdienern gehören, schneiden deutsche Schüler bei den PISA-Untersuchungen nur mittelmäßig ab. Ihre Finischen Kollegen verdienen weniger, gleichwohl gehören finnische Schüler stets zu den PISA-Siegern. Bildungsexperten sehen die Erklärung dafür, in der stärkeren Motivation der finnischen Lehrer durch eine leistungsorientierte Vergütung.
 

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 6 Kommentare zu Subventionen sind Pest und Cholera

Subventionen sind Pest und Cholera

Subventionsabbau nach der Rasenmähermethode ermöglichen in fünf Jahren ein neues Gestaltungspotential von 175 Mrd. Euro.
Privilegien, Sonderregeln, Ausnahmen: So läuft`s im Subventionsland Deutschland. Immer mehr Finanzhilfen und Steuervergünstigungen kommen hinzu. So wie die Staatsschulden in den Himmel wachsen, steigt auch das Subventionsvolumen. 2010 – das Rekordjahr mit 164 Milliarden Euro.

Warum tun wir uns das an? Warum bekommen einige spezielle Branchen spezielle Fördergelder vom Staat? Warum müssen alle Steuerzahler als Gegenleistung dem Fiskus die Portokasse füllen? Ökonomen haben dafür wenig Antworten – es sei denn, man wolle die Politik verstehen, die sich von Wahltermin zu Wahltermin etwas Neues einfallen lässt: neue und teurere Projekte. Schmackhaftes Futter für die Wahlkampagne.

Die meisten Ökonomen sagen aber: Steuervergünstigungen und Finanzhilfen sind Gift. Pest und Cholera. Während einige ausgewählte Gruppen profitieren, einzelne Güter künstlich verbilligt werden, müssen alle dafür zahlen. Das ist nicht nur ungerecht. Das schadet auch dem Wohlstand insgesamt. Denn: Strukturwandel wird ausgebremst, Arbeit und Kapital teilweise ineffizient verbraucht. Das Realeinkommen der Bürger und die Beschäftigung sind niedriger, als sie sein könnten.

Die Soziale Marktwirtschaft kann und sollte auf Subventionen verzichten. Das wird den einen oder anderen hart treffen, wenn finanzielle Privilegien auslaufen. Insgesamt werden aber alle profitieren. Nehmen wir an, Bund und Länder kürzen nur ein Drittel aller Subventionen – Schritt für Schritt in fünf Jahren. Ein realistisches Szenario. Was bekommen wir dafür? Bis 2016 sage und schreibe 175 Mrd. Euro neues Gestaltungspotential. Viel Geld, das sinnvoll eingesetzt werden kann: für den Abbau der Staatsverschuldung und ebenso für eine Rückführung der hohen Steuer- und Abgabenlast. Dafür lohnt es sich einzutreten.


Zusammenfassung der Studie „Subventionsabbau in Deutschland“, Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW), 2011 (PDF-Download)

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 1 Kommentar zu 2011 – Jahr der Konsolidierung

2011 – Jahr der Konsolidierung

Konjunkturprogramme: Deutschland hat viel gemacht.

Mit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise erlebten staatliche Konjunkturprogramme eine Renaissance. Und in vielen Ländern verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Dies sollte aber nicht dazu führen, die grundsätzlichen Probleme solcher staatlicher Hilfen außer Acht zu lassen. Nicht zu Unrecht werden sie seit den 70er Jahren von den meisten Ökonomen sehr kritisch betrachtet. Denn damals galt der Grundsatz: Kaum schwächelte die Wirtschaft, schon wurde von zahlreichen Politiker und Ökonomen reflexartig nach staatlichen Hilfen gerufen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass hier im Regelfall mehr Schaden angerichtet wurde als zu einer nachhaltigen Lösung einer schwächelnden Wirtschaft beizutragen. Fakt ist: Ein dauerhaft höheres Wirtschaftswachstum ist mit den staatlichen Eingriffen nicht zu erreichen. Erfolgreich scheinen sie nur dann zu sein, wenn es zu einem plötzlichen, starken Einbruch der Nachfrage kommt.

Aber auch dann sich Konjunkturprogramme nicht unproblematisch. Sie müssen rechtzeitig in Kraft treten und zielgerichtet ausgestaltet sein. Wichtig auch: Sie müssen in zeitlich befristet sein, damit sie die öffentlichen Haushalte nicht dauerhaft belasten und somit die zukünftigen haushaltspolitischen Spielräume nicht zu sehr einengen. Schließlich muss auch der Grundsatz beachtet werden: Wer in der Krise die staatlichen Aktivitäten massiv ausweitet, muss diese später auch im gleichen Umfang wieder zurückfahren. 2009 und 2010 hat Deutschland 4,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Konjunkturprogramme ausgegeben. Damit war Deutschland im EU-Vergleich sehr ambitioniert. Folglich sind auch die Vorwürfe aus dem Ausland haltlos, Deutschland stütze die internationale Konjunktur zu wenig. Für 2011 gilt es nun mit dem Abbau der durch die Konjunkturprogramme entstandenen Staatschulden zu beginnen, um das künftige Wachstum nicht zu beeinträchtigen. Wünschenswert wäre es, wenn Deutschland nun auch hier im EU-Vergleich eine Vorreiterrolle spielen würde.


Die Langfassung dieses Beitrags ist als IW-Trends 4/2010 erschienen.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , 17 Kommentare zu Das verflixte Wahljahr 2011

Das verflixte Wahljahr 2011

Wahltage sind Zahltage! Die Parteien werden im Neuen Jahr bei mindestens sieben Landtags- und drei Kommunalwahlen vom Wahlvolk bewertet. Wahljahre sind aber auch Jahre, in denen Entscheidungen nicht getroffen, sondern vertagt werden. Parteien wollen möglichst keine Angriffsflächen für die politische Konkurrenz bieten und halten sich deshalb mit Anstößen für substanzielle Veränderungen zurück.

2011 könnte also zum Jahr des politischen Attentismus werden. Für die öffentliche Meinungsbildung wird das bereits vertraute Lied vom neuen Wirtschaftswunderland Deutschland in allen Variationen angestimmt, in dem die Arbeitslosigkeit immer weiter sinkt und kräftige Lohnerhöhungen für neue Kaufkraft sorgen. Für die soziale Balance wird kräftig getrommelt, speziell für flächendeckende Mindestlöhne und höhere Sozialtransfers. Vom Sparen wird immer weniger geredet werden, stattdessen umso mehr von der notwendigen Nettoentlastung der Steuerzahler. Begriffe wie Staatsschulden- und Währungskrise nehmen bald nur noch notorische Defätisten in den Mund.

Deutschland ist in der Tat derzeit relativ stark. Das hat zwei Hauptgründe: der eine ist ein schlichter statistischer Basiseffekt. Weil 2009 die Jahreswirtschaftsleistung in den Keller rauschte wie nie zuvor, gelingt 2010 mit der Kehrtwende in wichtigen Exportmärkten der schnelle Wiederaufstieg.

Der zweite Grund für die relative deutsche Stärke liegt an dem Anpassungsschock, den die Deutsche Wiedervereinigung auslöste. Weil die Staatswirtschaft der alten DDR binnen Monaten implodierte, Arbeitslosigkeit, Staatsschulden und Sozialbgaben explodierten, sank der Pro-Kopf-Wohlstand in Deutschland über viele Jahre hinweg kontinuierlich. Die Einkommen stagnierten oder sanken inflationsbereinigt über eineinhalb Jahrzehnte auf breiter Front. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände flexibilisierten starre Tarifstrukturen. Der Zwang zu Reformen in der Rentenversicherung und bei der Sozialhilfe wurde so groß, dass die unterschiedlichsten Regierungskonstellationen nicht daran vorbei kamen. Wenn man so will, ist die deutsche Volkswirtschaft krisenerprobter in die globale Finanzmarktkrise geraten als viele andere Ökonomien, die ihre Anpassungsschocks erst noch bewältigen müssen.

Doch gerade wenn man sich die Ursachen des deutschen Wintermärchens zum Jahreswechsel vergegenwärtigt, dann wird die Botschaft zu Beginn des verflixten Wahljahres an das politische Establishment umso dringlicher:

1. Deutschland muss steigende Steuereinnahmen in erster Linie zum Abbau der Staatsverschuldung nutzen. Konsolidierung ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für langfristige Prosperität!

2. Soziale Absicherung heißt Absicherung auf existenzsicherndem Niveau, nicht Lebensstandardsicherung!

3. Kranken- und Pflegeversicherung harren weiter einer demografiefesten Reform!

4. Ohne Abbau der Beamtenprivilegien werden die meisten Länderhaushalte das Ziel, ab 2020 ohne Nettoneuverschuldung auszukommen, nie erreichen!

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 22 Kommentare zu 2.000.000.000.000

2.000.000.000.000

Die Schuldenlast ist gewaltig. Auf insgesamt 2 Billionen türmt sich mittlerweile die gesamtstaatliche Schuld der Bundesrepublik.

Unaufhaltsam schreitet die deutsche Staatsverschuldung voran. Ende dieses Jahres wird ein weiterer Negativrekord gebrochen: Deutschlands Staatsschulden werden den astronomischen Wert von 2.000.000.000.000 Euro übersteigen. Im Jahr 2010 sind 325 Milliarden Euro an neuen Schulden aufgetürmt worden. Damit haben die Schulden täglich im Durchschnitt um unfassbare 890 Millionen Euro zugenommen.

All dies hat dramatische Auswirkungen. So schätzt das Bundesfinanzministerium die Zinslasten für die Schulden für das Jahr 2010 auf 58,5 Milliarden Euro. Geld das für andere Zwecke, wie beispielsweise Bildung und Infrastruktur, nicht zur Verfügung steht. Und dabei liegen die Zinsen derzeit auf einem historischen Tief. Steigen sie künftig nur leicht, werden die Zinszahlungen des Staates kräftig in die Höhe schießen.

Vor dem Hintergrund dieser düsteren Aussichten könnte man meinen, dass die Politik nun endlich die große Wende einleitet: Raus aus der Schuldenfalle. Aber weit gefehlt. Angesichts der gewaltigen Herausforderungen sind die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung schlicht unzureichend. Dabei könnte die Politik bei den Subventionen Milliardenbeträge einsparen.


Dr. Alfred Boss ist Mitarbeiter im Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Seine Forschungsschwerpunkte sind Öffentliche Haushalte, Sozialversicherung, Steuerpolitik, Subventionswesen und Sozialpolitik.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 35 Kommentare zu Mit Mindestlohn in die Planwirtschaft

Mit Mindestlohn in die Planwirtschaft

Alle Jahre wieder werden auch Forderungen nach Mindestlöhnen von Seiten einzelner Unternehmen laut. 10 Euro für alle fordert Lidl. Lohndumping soll so verhindert werden. Warum eigentlich ausgerechnet 10 Euro? 20 Euro Stundenlohn wäre doch gerade vor Weihnachten für viele ein willkommenes Geschenk.

Man muss wissen: Grundsätzlich unterscheidet sich der Arbeitsmarkt nicht von einem Gütermarkt. Löhne bilden sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Übersteigt die Lohnforderung die Produktivität wird der Arbeitnehmer nicht eingestellt bzw. muss von seiner Forderung abrücken. So einfach ist das. Wird aber ein Mindestlohn vereinbart, übersteigt in vielen Fällen die Mindestzahlung die Produktivität. Der Arbeitnehmer wird nicht eingestellt. So verursachten Mindestlöhne Arbeitslosigkeit.

Wären die Mindestlohn-Befürworter konsequent, müssten sie sich auch für Mindestpreise aussprechen. Denn nur wenn ein planwirtschaftlich vereinbarter Mindestpreis an Produzenten bezahlt wird, können diese auch „ausreichend“ hohe Löhne zahlen. Was dabei allzu gerne übersehen wird: Die Kosten werden immer an den Verbraucher weitergegeben. Die Zeche zahlt so der Konsument.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 27 Kommentare zu Von Schnäppchenjägern und Mindestlöhnen

Von Schnäppchenjägern und Mindestlöhnen

Viele Nachbarstaaten Deutschlands haben Mindestlöhne. Auch in Deutschland gibt es mit Hartz IV einen impliziten Mindestlohn.

Die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen ist populär im Land. Wer in Vollzeit arbeitet, soll auch davon leben können! Das klingt sozial, nicht nur in der Vorweihnachtszeit.

Doch die Wirklichkeit ist komplizierter und wir alle sind nicht nur Arbeitnehmer, die für sich selbst ordentliche Löhne erwarten. Wir sind auch Konsumenten. Viele Deutsche sind Schnäppchenjäger, allzeit bereit, jedes Produkt und jede Dienstleistung zu Schnäppchenpreisen einzukaufen. Der Gegenwert für die im Produkt steckende Arbeitsleistung ist dem Kunden schlussendlich egal – Hauptsache billig! Dasselbe gilt im Handwerk. Allzu gerne weichen wir Kunden auf Schwarzarbeit aus. Denn wer will schon freiwillig Verrechnungspreise für Gesellen bezahlen, die inklusive Mehrwertsteuer bereits knapp 50 Euro pro Stunde kosten?

Wir sind Heuchler und Pharisäer, wenn wir die ökonomischen Zusammenhänge in der Diskussion um gesetzliche Mindestlöhne außer Acht lassen. Die Lohnfindung gehört in die Betriebe, ist Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgebern, nicht des Gesetzgebers.

Das Münchner ifo-Institut hat den Arbeitsplatzverlust durch einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro (!) vor gut zwei Jahren auf bis zu 1,1 Millionen geschätzt. Was haben Menschen mit geringer Qualifikation oder Langzeitarbeitslose davon, einen gesetzlichen Mindestlohn garantiert zu bekommen, wenn dieser verhindert, dass sie überhaupt einen Arbeitsplatz finden?

Übrigens: Wir haben in Deutschland einen Mindestlohn – der nennt sich Hartz IV. Für einen arbeitslosen Alleinstehenden ist eine Vollzeitstelle unattraktiv, wenn sein monatlicher Bruttolohn nicht höher als 1200 Euro liegt. Das entspricht einem Stundenlohn von rund 7,50 Euro.

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 3 Kommentare zu Steuern und Abgaben steigen

Steuern und Abgaben steigen

Ein durchschnittlicher Privathaushalt zahl

Vor jedem Regierungswechsel beteuert die Politik, dass zukünftig die Belastung der Bürger durch Steuern und Abgaben sinken wird. Nach der Wahl kommt es dann aber häufig ganz anders. Entweder die Politik verweist auf fehlende Spielräume für Entlastungen. So als ob sich unmittelbar nach der Wahl die Rahmenbedingungen gänzlich verändert hätten. Oder aber es werden diverse Entlastungen des Bürgers aufgezählt, aber zahlreiche zusätzliche Belastungen verschwiegen.

In der Summe ergibt sich dann häufig eine Mehrbelastung der Privathaushalte. Genau diese Entwicklung belegen die aktuellen Einkommens- und Verbraucherstichproben des Statistischen Bundesamtes. Demnach führten die privaten Haushalte 2008 im Schnitt 21,4 Prozent ihrer Bruttoeinkommen an Staat und Sozialkassen ab. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als 1993 und ein Prozentpunkt mehr als 2003. Kein Wunder, dass das Vertrauen der Bürger in die Politik schwindet. Wer hier Boden gut machen will, sollte mit seinen Ankündigungen künftig ernst machen.


Hier geht es zur Untersuchung des Statistischen Bundesamtes: Wo bleibt mein Geld? Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, Berlin 2010

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 6 Kommentare zu Amerikanisch sind wir geworden

Amerikanisch sind wir geworden

Deutschland hat bei der ökonomischen Aufholjagd nach der Krise die Nase vorn. Die Konjunktur brummt: Bei den Exporten wie auch beim privaten Verbrauch. Warum kann gerade die deutsche Volkswirtschaft die Krise so kraftvoll bewältigen?

Sicher profitieren wir jetzt von der internationalen Verflechtung unserer Industrie: zieht die Weltkonjunktur an, steigt auch der Umsatz der exportorientierten Unternehmen. Das alleine macht Deutschland aber noch nicht zur Wachstumslokomotive: Deutschland profitiert jetzt von seiner Veränderungsbereitschaft vergangener Jahre. Das Land des rigiden Flächentarifvertrags und der starren Ladenschlusszeiten gibt es nicht mehr. Der “Rheinische Kapitalismus” mit der Macht der Verbände hat Schritt für Schritt einer Marktwirtschaft (Marke: “Berliner Republik”) Platz gemacht. Dies ist letztlich die Folge zweier epochaler Ereignisse: der Deutschen Einheit und der Globalisierung.

In Ostdeutschland entstand nach der Wiedervereinigung eine moderne Industrie außerhalb des Tarifkorsetts – und wurde so auch zum Vorbild für viele Betriebe im Westen. Mit der günstigen Entwicklung der Lohnstückkosten stieg auch die globale Wettbewerbsfähigkeit beider Landeshälften spürbar an. Mit der Leiharbeit wurden die rigiden Vorschriften des Kündigungsschutzes umschifft. Kurz gesagt: Deutschland rückte ein Stück näher an Amerika, und zwar genau dort, wo es besonders nötig war: in der marktwirtschaftlichen Flexibilität. All dies geschah nicht ohne Protest. Aber es geschah. Und heute profitieren wir davon.


* Ursprung dieses Blogbeitrages ist ein Namensartikel im Handelsblatt – diesen können Sie hier nachlesen.
* Eine Rezension zum Buch „Wachstum“ von Karl-Heinz Paqué finde Sie hier.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , Leave a Comment on Die Luftfrachtbranche

Die Luftfrachtbranche

Deutschlands Gewerkschaften haben in den letzten 20 Jahren fast die Hälfte ihrer Mitglieder verloren.

Ich sitze an meinem Fenster und gucke nach den Flugzeugen, die auf dem Flughafen Frankfurt landen – mein Haus liegt ziemlich genau in der Einflugschneise. Ich würde so gerne mal einen A-380 sehen. Damit war mir bis jetzt kein Glück beschieden. Was häufiger kommt, sind die MD-11 der Lufthansa Cargo. Das sind große, dreistrahlige Maschinen, gebaut von McDonnell Douglas, noch bevor es bei den Flugzeugkonstrukteuren nur Airbus und Boeing gab. Heute kamen davon schon drei, denke ich. Die Lufthansa Cargo hat 18 von denen. Das ist ihre gesamte Flotte. Die größte Frachtairline der Welt, FedEx, hat 664 Flugzeuge.

Und ich muss plötzlich denken: ist das nicht vollkommen ineffizient, dass es x Frachtairlines gibt, die alle in Frankfurt Personal und Material unterhalten? Jede einzelne mit einem Vorstand, der viel Geld kostet? Wäre es nicht viel billiger, wenn die sich ihre Frachthubs alle teilen würden? Die nicht mehr doppelt und dreifach anfliegen müssten? Wenn sie alle zusammen ihre Flugzeuge bestellen würden? Vielleicht könnte das eine Behörde organisieren, die das große Ganze überblickt? Da könnte man Fracht doch viel billiger transportieren – zum Nutzen aller.

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