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Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 8 Kommentare zu Haftung und Verantwortung in der Marktwirtschaft

Haftung und Verantwortung in der Marktwirtschaft

Als nach der Lehmann-Pleite die Finanzmärkte der Welt zu kollabieren drohten, hieß es unisono: Die Risiken für fahrlässiges Verhalten im Finanzsektor würden künftig nie mehr allein bei den Steuerzahlern abgeladen. Denn zu den Grundprinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehörten – wie siamesische Zwillinge – Begriffe wie Haftung und Verantwortung. Wer als Geldgeber fahrlässig hoch riskante Anlagewetten auf die Zukunft eingehe, müsse für die Folgen von Fehlspekulationen selbst haften. Nur dann, wenn dieser Grundsatz lückenlos zum Tragen komme, ließen sich die sündhaft teuren Reparaturmaßnahmen für die öffentlichen Haushalte – und damit für die Steuerzahler – wirkungsvoll eindämmen.

Wer den politischen Streit in der EU über die Beteiligung privater Gläubiger an den Rettungspaketen für Griechenland verfolgt, reibt sich verwundert die Augen. Plötzlich sind Umschuldungen unter Beteiligung des privaten Sektors ein Übel, gegen das sich Regierungen im Euroraum genauso stemmen wie die Europäische Zentralbank. Warum wird plötzlich die Gefahr einer neuen Bankenkrise an die Wand gemalt, um damit genau den Lösungsansatz zu bekämpfen, der die strukturelle Hauptursache für die regelmäßig wiederkehrenden Krisen an den Finanzmärkten oder die Überschuldungskrisen von Nationalstaaten beseitigen könnte?

Der Finanzsektor schreit nach Vollkasko! Er verteidigt seine Renditen aus den Boomzeiten, die häufig genug unter grober Missachtung jeglicher Risikofolgenabschätzung erzielt wurden, statt sich zur unternehmerischen Eigenverantwortung zu bekennen. Er setzt darauf, dass seine „Systemrelevanz“ die Politik zwingt, ihm die Verantwortung dadurch abzunehmen, dass die erzielten „Strohgewinne“ privatisiert  bleiben und die Verluste sozialisiert werden. Mit diesem Geschäftsmodell machen viele gut bezahlte Akteure an den Finanzmärkten unsere marktwirtschaftliche Ordnung kaputt. Wer mag noch den Stab über vermeintliche oder tatsächliche „Sozialschmarotzer“ brechen, wenn die Epigonen des Finanzkapitalismus gegen sich nicht gelten lassen, was für die sogenannten kleinen Leute zu gelten hat: Eigenverantwortung!

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Vetorecht steht der EZB nicht zu

Mit einer harschen Ablehnung hat die EZB auf die erneute Forderung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble reagiert, private Gläubiger an den Kosten der griechischen Schuldenkrise zu beteiligen. Eine Laufzeitverlängerung der von den Banken gehaltenen griechischen Staatsanleihen würde laut EZB dazu führen, dass die Ratingagenturen die Bonitätsnoten für Griechenland weiter senken würden. Eigentlich bieten die griechischen Staatsanleihen schon heue keine ausreichende Sicherheit. Dennoch hat die EZB sie bislang selbst aufgekauft.

Scheinbar sieht die EZB ihre grundsätzliche Verpflichtung zu einer unabhängigen Geldpolitik gefährdet. Bankrotte Staaten zu retten und dabei entsprechende Verluste in Kauf zu nehmen, gehört nicht zu ihren Aufgaben. Für die EZB entstehen im Refinanzierungsgeschäft Verluste, wenn sowohl die Banken, die die Anleihen als Sicherheit vorgelegt haben, als auch der griechische Staat zahlungsunfähig werden. Um die EZB abzusichern, könnten die Staaten der Euro-Zone gegenüber der EZB eine Bürgschaft übernehmen. Wirtschaftlich gehen sie dabei kein Risiko ein, weil sie Eigentümer der EZB sind. Die EZB könnte die griechischen Banken dann im bisherigen Umfang refinanzieren, auch im Fall einer Umschuldung. Die Unabhängigkeit der Geldpolitik wäre gewahrt.

Eine erzwungene Laufzeitverlängerung wäre dann sinnvoll, wenn man später mit einem Schuldenschnitt rechnet. Wenn Privatinvestoren an den Verlusten, die dann zutage treten, beteiligt werden sollen, darf man jetzt nicht zulassen, dass sie aussteigen. Denn dieser Ausstieg würde bedeuten, dass die auslaufenden Anleihen mit Steuergeldern anderer Staaten der Euro-Zone finanziert würden. Ein Veto-Recht dazu steht der EZB nicht zu. Trotz allem muss die Entscheidung für eine Umschuldung Griechenlands von der Politik entschieden werden.


Dieser Blogbeitrag ist eine Kurzfassung des am 15. Juni 2011 im Handelsblatt veröffentlichten Beitrags „Die EZB ist zu weit gegangen“.

 

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 3 Kommentare zu Neue Stabilität wird beerdigt

Neue Stabilität wird beerdigt

Mit dem heutigen Beschluss des Bundestags über weitere Finanzhilfen für Griechenland, begräbt er die zukünftigen Stabilitätsregeln für die Euro-Länder gleich mit. Ab Juli 2013 soll der Europäische Stabilitäts-Mechanismus (ESM) die bisherigen provisorischen Hilfssysteme ablösen und die Maastricht-Kriterien bzw. den Stabilitäts- und Wachstumspakt ergänzen. Zu den Kerngedanken des ESM gehört, im Falle einer faktischen Staatsinsolvenz unter strengen Sparauflagen Finanzhilfen zu gewähren – allerdings, und das wäre neu, unter Beteiligung der Gläubiger.

Das Haftungsprinzip gehört zu den Grundpfeilern der Sozialen Marktwirtschaft. Denn ohne Wettbewerb, Vertragsfreiheit und eben Haftung kann der Markt keine glaubwürdigen Informationen liefern. Die faktische Sozialisierung des Risikos der Staatsverschuldung von Griechenland ist insoweit nicht nur Folge sondern eben auch Ursache zu niedriger Zinsen in der Vergangenheit bzw. der überhöhten Verschuldung. Das Haftungsprinzip sollte mit der im ESM verankerten Gläubiger-Beteiligung bei zukünftigen Staatsinsolvenzen wieder gestärkt werden. Sollte…Wird aber nicht. Denn mit der erneuten Griechenland-Hilfe wird dieser Grundsatz schon wieder verletzt, bevor das neue Regelwerk überhaupt beschlossen ist.

Nach EMS-Regelwerk müsste es bei einer negativen Schuldentragfähigkeitsanalyse zu einer Verhandlung des Schuldners mit seinen Gläubigern kommen – Finanzhilfen vom ESM gäbe es nur dann, wenn Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Anleihezinsen, die einen drohenden Zahlungsausfall berücksichtigen, wären höher und würden ausufernde Verschuldung frühzeitig dämpfen. Im Fall Griechenlands läuft es aber jetzt wieder ganz anders. Hier sollen die Gläubiger lediglich dazu angehalten werden, ihre Kreditlaufzeiten zu verlängern. Schäuble nennt das „weiche Umschuldung“. Tatsächlich ist das aber ein warmer Geldsegen für alle, die von hohen Anleihezinsen profitieren. Statt Haftung wird so Risikofreiheit garantiert. Die Geschichte des Euros ist eine Aneinanderreihung ungesühnter Rechtsbrüche. Ein neues Kapitel wird gerade geschrieben.


* WestLB (Bad Bank): 1.400 Mio., LBBW: 1.389 Mio, Landesbank Berlin: 364 Mio., HSH Nordbank: 295 Mio., NordLB: 197 Mio., BayernLB: 121 Mio., WestLB: 97 Mio., Helaba: 78 Mio.

Weitere Informationen:
*cep-Standpunkt: Freie Fahrt in die Schuldenunion, April 2011

*cep- Kommentierung zur Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 13 Kommentare zu Eine Umschuldung ist alternativlos

Eine Umschuldung ist alternativlos

„Der Euro führt nicht zur Einigung, sondern zur Teilung Europas“, warnte schon 1998 der Soziologe Lord Rolf Dahrendorf. Seine Ermahnungen blieben damals ungehört. 13 Jahre später drohen sie aber real zu werden. Europa steht vor der Zerreißprobe.

Trotz aller Versprechungen hat Griechenland die Haushaltsprobleme nicht in den Griff bekommen. Es ist nicht gelungen, einen glaubwürdigen Sparkurs einzuschlagen und angebotspolitische Versäumnisse zu beseitigen. Interessensgruppen und Eliten konnten ihre Rentenansprüche weiterhin durchzusetzen. Darunter leiden vor allem die griechischen Steuerzahler.

Gleichzeitig leidet das Image vor allem Deutschlands bei den Griechen, unter anderem weil die deutsche Regierung im Frühjahr 2010 falsch gehandelt hat. Nicht der Aufkauf griechischer Schrottpapiere durch die EZB war alternativlos, sondern deren Umschuldung. Nun scheinen die Regierungen dies zu wissen und warten ab – so lange bis genug griechische Papiere in staatlicher Hand sind. Damit werden erneut die Banken geschützt und die Risiken auf den Steuerzahler übertragen; dieses Mal allerdings indirekt und in der Hoffnung, dass die Wähler/Steuerzahler dies nicht bemerken. Was wir jetzt endlich brauchen, ist eine europäische Strategie. Diese muss eine endgültige Härtung des SWP, eine konsequente Verankerung und Umsetzung des No-bail-out-Prinzips, eine Befristung der Rettungsinstrumente und eine beherzte Rettung Griechenlands (einschließlich Umschuldung) umfassen. Sonst erleben wir noch mehr Desintegration durch nationalistische Vorurteile – und dann wären die europäischen Regierungen tatsächlich die Totengräber Europas.


Quelle Grafik: WiWo, Ausgabe vom 16.05.2011, Seite 20-27

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 11 Kommentare zu Eine Chance für Griechenland!

Eine Chance für Griechenland!

Griechenland droht unter seinem eigenen Schuldenberg zu ersticken. Die Milliarden aus den Rettungspaketen sind mehr oder weniger verpufft. Selbst in den Finanzministerien in Europa wird nun seit kurzem offen über eine Umschuldung gesprochen. Die Frage lautet nicht mehr, ob ein Schuldenschnitt gut oder schlecht ist, sondern wann und in welcher Form er kommt. Dabei gilt: Je eher der Schnitt kommt, umso besser. Denn die Unsicherheit schadet Unternehmen und Konsumenten – auch hierzulande. Und je länger man wartet, umso mehr können sich private Gläubiger davonmachen und desto stärker bleibt das Risiko bei den Staaten und damit beim Steuerzahler.

Im Prinzip bleiben folgende Möglichkeiten: Erstens „Das Schrecken ohne Ende Szenario“. Das würde bedeuten, man schiebt die Rückzahlungen der Anleihen 10, 20 oder 30 Jahre auf und verringert gleichzeitig die Zinszahlungen oder setzt sie sogar ganz aus. Oder Zweitens „Das Ende mit Schrecken Szenario“ – der Haircut. Von einem Tag auf den anderen müssten Gläubiger einen Teil der Schulden abschreiben. Danach könnten allerdings schwache Banken in- und außerhalb Griechenlands existenzielle Probleme bekommen, da sie hohe Summen abschreiben müssen. Eine dritte und wohl günstigste Möglichkeit ist eine Kombination aus beidem. Ein Gremium aus Internationalem Währungsfonds und EU-Vertretern müsste den Insolvenzverwalter mimen und jedem Gläubiger die Wahl zwischen den beiden Szenarien anbieten. Das wäre ein elegantes Modell, um die negativen Seiten eines harten Haircuts abzufedern. Mittels Investitionen mit zinsvergünstigten Krediten aus dem ESM könnte die griechische Wirtschaft danach wieder aufgepäppelt werden. Das wäre eine Chance für Griechenland.

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Grenzen auf für den Aufschwung

Seit heute können Esten, Letten, Litauer und Polen ohne jegliche Beschränkung hierzulande eine Arbeit aufnehmen. Zusammen mit Österreich ist Deutschland das letzte EU-Land, das die volle Freizügigkeit gewährt. Viele deutsche Arbeitnehmer fürchten sich vor der Billigkonkurrenz vor allem aus dem Osten.

Doch die Furcht ist unbegründet. Großbritannien etwa hatte seine Grenzen direkt nach dem EU-Beitritt 2004 geöffnet und avancierte zum Ziel Nummer 1 für osteuropäische Zuwanderer. Geschadet hat es dem Land nicht, im Gegenteil:  Die Migranten haben zum Wirtschaftsboom Mitte des Jahrzehnts beigetragen, die Arbeitslosenquote stieg kaum.

Und auch für Deutschland kann sich die Zuwanderung als Segen erweisen. 2008 und 2009 verließen mehr Menschen die Bundesrepublik, als aus dem Ausland dazukamen. Für ein Land mit schrumpfender Bevölkerung und gleichzeitigem konjunkturellen Aufschwung ist dies besonders problematisch, denn gerade dann werden Arbeitskräfte gebraucht. Die Öffnung der Grenzen ist diesbezüglich ein erster richtiger Schritt. Für rund 1,2 Millionen Zuwanderer per Saldo könnte Deutschland bis 2020 die zweite Heimat werden. Eine langfristige aktive Beschäftigungspolitik, die bürokratische Hürden abbaut und Rücksicht auf das Demografie-Problem nimmt,  kann dadurch aber nicht ersetzt werden.

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Moderne Wachstumsstrategie für Europa

Die vergangene Dekade war eine Zeit, in der die Peripherie Europas gegenüber dem Zentrum kräftig aufholte. Aber ein Teil des Aufholprozesses hat sich als nicht nachhaltig, sondern als „Blase“ erwiesen. Das Muster war überall ähnlich: Es gab einen Boom im jeweiligen nationalen Binnenmarkt, die lokalen Dienstleistungen und Immobilien verteuerten sich stark und die Löhne stiegen schneller als die Arbeitsproduktivität. Das Ergebnis: drastisch verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Zentrum Europas.

Dies ging lange gut, bis die Binnenmarktblase schließlich doch platzte – im Zuge der Weltfinanzkrise. Danach wurde die gesamtwirtschaftliche Schieflage schonungslos aufgedeckt: riesige Defizite in Staatshaushalt und Leistungsbilanz, unsichere Bankensysteme, Vertrauensverlust an den Kapitalmärkten, Schuldenkrise.

Griechenland, Irland, Portugal und Spanien haben über ihre Verhältnisse gelebt, weil sie geglaubt hatten, dass es quasi einen Automatismus in Richtung einer Konvergenz der Arbeitsproduktivität in Europa zwischen Peripherie und Zentrum geben würde. Aber eine Konvergenz wird sich nicht so schnell einstellen. Der wichtigste Grund dafür ist die mangelnde Innovationskraft der Industrie in den Peripherie-Staaten.

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Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 1 Kommentar zu Europas Fahrt ins Ungewisse

Europas Fahrt ins Ungewisse

Am 24./25. März wurden auf dem EU Gipfel tiefgreifende Veränderungen der Architektur der Währungsunion beschlossen. Stabiler sollte der Euro werden. Im Prinzip gut gemeint. Doch gut gemeint ist nicht gleich gut (frei nach Tucholsky).

Es fängt mit der Behauptung an, es bedürfe gemeinsamer Anstrengungen um die „Euro Krise“ zu überwinden. Es gibt keine Euro Krise. Im Gegenteil: Der Euro ist gegenüber dem US Dollar sogar überbewertet. Was die Währungsunion belastet ist eine Schulden- und Wachstumskrise in einzelnen Mitgliedsstaaten. Dieser Unterschied ist nicht semantisch, sondern fundamental. Er macht nämlich deutlich, dass die Probleme hausgemacht sind und infolgedessen eine Therapie von den betroffenen Ländern selbst betrieben werden muss.

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Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 8 Kommentare zu Umschuldung wäre das richtige Signal

Umschuldung wäre das richtige Signal

Nun also doch: Nach den milliardenschweren Rettungspaketen wird nun doch eine Umschuldung der griechischen Staatsschuld in Erwägung gezogen. Denn es gibt berechtigte Zweifel daran, dass Griechenland wie erhofft sich im nächsten Jahr wieder selbst am Anleihenmarkt finanzieren könne. In diesem Fall wäre das Land auf weitere Hilfen der Mitgliedsstaaten angewiesen. Das würde dann zu weiteren Belastungen der Steuerzahler führen, die in ihren politischen Wirkungen nicht mehr überschaubar wären.

Eine Umschuldung – ob in Form von längeren Laufzeiten der Anleihen, deren Abwertung oder Aussetzung der Zinszahlungen – ginge zu Lasten derjenigen, die sich von der Investition eine angemessene Rendite versprochen haben. Der Grundsatz der Haftung oder die Idee, nicht nur die Gewinne, sondern auch die Verluste zu privatisieren, wäre zumindest teilweise wieder erfüllt. Die Signalwirkung an die übrigen GIPS-Staaten wäre eindeutig. Wer seinen Haushalt nicht in Ordnung bringt, wird unter Umständen vom Finanzmarkt fallen gelassen. Und eine Landung im faktischen Staatsbankrott ist härter als eine Landung im EU Rettungsnetz.

Die Regierungsauflösung in Portugal hat die negativen Anreize des Rettungsfonds verdeutlicht. Der portugiesische Ministerpräsident Sócrates musste seinen Amtssessel räumen, nachdem seine Sparmaßnahmen im Parlament gescheitert waren. Ob die Entscheidung mit einer drohenden Umschuldung genauso gefallen wäre, lässt sich leider nicht mehr ermitteln. Fest steht aber: Die garantierte sanfte Landung im EU Fangnetz zerstört Anreize, selbst Sparmaßnahmen zu ergreifen. Eine harte Landung in einer Umschuldung setzt Anreize, selbst auf die Schuldenbremse zu treten. Und dies aus Selbstinteresse und nicht als empfundenes deutsches Diktat. Das sollte auch im Interesse der Bundesregierung liegen.

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Finanzaufsicht: Jetzt nicht übertreiben!

Die letzte Finanzkrise ist Anlass über die Notwendigkeit, über die Art und über das Ausmaß einer Regulierung der Finanzmärkte und der Finanzinstitutionen nachzudenken. Dass dies zurzeit getan wird, belegen zahlreiche Anstrengungen mit  dem Ziel das Finanzsystem widerstandsfähiger zu machen. Auf die Ankündigung kein Finanzmarktteilnehmer und kein Produkt solle unreguliert bleiben, folgte ein Feuerwerk an neuen Vorschriften. Die Liste reicht von Managervergütungen über höhere Eigenkapitalvorschriften, international abgestimmten Liquiditätsvorschriften, Sondervorschriften für systemrelevante Institute und vieles mehr. Die Spuren der letzten Finanzmarktkrise sind unverkennbar. Verständlich, aber auch problematisch.

Regulierung und die unsichtbare Hand des Marktes stehen immer in einem Spannungsverhältnis. Da man die  Frage: „Wie viel Regulierung ist notwendig, wie viel freie Marktwirtschaft ist möglich“ niemals eindeutig beantworten kann, ist jetzt die Gefahr groß sich von den jüngsten Erfahrungen vereinnahmen zu lassen. Jede Wettbewerbsbeschränkung führt zu Wohlfahrtsverlusten. Ein Verbot bestimmter Geschäfte führt dazu, dass auch volkswirtschaftlich sinnvolle Transaktionen nicht zustande kommen. Vor der letzten Krise war man geneigt die negativen Folgen einer Bankenkrise zu unterschätzen, die Kosten der Regulierung dagegen wurden überschätzt. Nun droht das umgedrehte Szenario.

So verständlich die Forderungen nach sehr strengen Vorschriften auch sein mögen, überzogene Vorschriften wird man nicht dauerhaft durchhalten können. Und die Erfahrung zeigt: Nichts ist gefährlicher, als strenge Regeln aufzuheben oder zu lockern. Daher gilt es jetzt, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht von den kurzfristigen Ereignissen leiten zu lassen. Denn die nächste Krise wird ohnehin andere Ursachen haben.


Prof. Dr. Hartmann-Wendels war Teilnehmer der diesjährigen Liberalismuskonferenz. Die Präsentation seines Vortags “Freiheit und Ordnung – Neue Regeln nach der Finanzkrise” können Sie hier downloaden.

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Schuldendisziplin: Der Markt macht‘s

Die Eurokrise ist keine Krise der Währung, sondern eine Krise der ausgeuferten Staatsverschuldung. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt verpuffte, weil er unter Mithilfe Deutschlands aufgeweicht wurde. Die Reformen für einen besseren Krisenmechanismus, die bis heute auf den Weg gebracht wurden, sind im Grunde richtig, jedoch fehlt ihnen häufig der Biss. Der neue Mechanismus muss schon im Vorfeld für mehr fiskalische Disziplin sorgen.

Es muss unmissverständlich klar sein: Wenn ein Staat überschuldet ist, muss er mit seinen Gläubigern über eine Umschuldung verhandeln. Anleger müssen auch Verluste erleiden können. Denn dann verlangen sie auch höhere Risikoprämien und die disziplinierende Funktion des Marktes kommt zur Entfaltung. Doch Privatgläubigerbeteiligung darf nicht wie in vielen kursierenden Vorschlägen zum Selbstzweck werden.

Die Finanzmärkte sind angesichts gestiegener Schuldenlasten nervös und neigen zur Übertreibung, so dass eigentlich solvente Staaten vom Kapitalmarkt ausgeschlossen werden. So könnte ein Staat in den Bankrott gedrängt werden, der sich eigentlich auch aus eigener Kraft reformieren und konsolidieren könnte. In diesem Fall sollten Liquiditätshilfen gewährt werden. Allerdings anders als avisiert nur für den Fall, dass gegen den betroffenen Staat kein Defizitverfahren läuft.

Genauso sollte nicht die Politik entscheiden, ob ein Staat Illiquide oder überschuldet ist, sondern ein unabhängiges Expertengremium. Dadurch entsteht Druck: Denn eine Entscheidung gegen ein öffentliches Expertenvotum für eine Umschuldung würde für Politiker bedeuten, Gelder von Steuerzahler in großem Maßstab aufs Spiel zu setzen und damit Wähler gegen sich aufzubringen.


Weitere Informationen finden Sie hier.

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, UmweltTagged , , 15 Kommentare zu Parlament in Statistenrolle

Parlament in Statistenrolle

Was haben der Euro-Rettungsschirm und das dreimonatige Moratorium bei der Laufzeitenverlängerung der deutschen Atomkraftwerke miteinander zu tun? Die Antwort ist so einfach wie für einen überzeugten Parlamentarier deprimierend: Die Regierung handelt ohne Mandat des Deutschen Bundestages, ja sie setzt sich über von den Koalitionsfraktionen selbst gesetzte Positionen bei der Euro-Rettung hinweg und sie beugt – zumindest nach Auffassung unzähliger Juristen – beim Atom-Moratorium schlicht geltendes Recht.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich gehöre zu den Unionspolitikern, die von der Laufzeitenverlängerung der deutschen Atomkraftwerke noch nie etwas gehalten haben. Für mich war und ist der Ausstieg aus der Atomenergie ein Gebot der ökologischen und ökonomischen Vernunft. Allerdings finde ich die Volte der Bundesregierung geradezu unglaublich, die jetzt der atomkritischen Stimmungslage im Volk dadurch Rechnung tragen will, dass sie geltende Gesetze einfach außer Kraft setzt, statt sich um eine saubere Korrekturgesetzgebung zu kümmern. Man darf schon heute gespannt sein, wann die ersten Energiekonzerne gegen die Stilllegungsverfügungen juristisch vorgehen, weil ihnen die gesetzliche Grundlage fehlt.

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Das Volk hat gesprochen: Verantwortungsvoll haushalten!

Fernab der öffentlichkeitswirksamen Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben die hessischen Wähler eine kluge Entscheidung getroffen, die über verhältnismäßig kurzfristige Zeithorizonte wie eine Legislaturperiode hinausgehen. Mit 70% Zustimmung ändern die Hessen ihre Landesverfassung und führen eine Schuldenbremse ein, die ab dem Jahre 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorschreibt und strukturelle Verschuldung verbietet.  Trotz der Möglichkeit einer Schuldenaufnahme in Phasen des wirtschaftlichen Abschwungs oder in außergewöhnlichen Notsituationen gibt die Schuldenbremse ein klares Signal für mehr Generationengerechtigkeit.

Mit der breiten Zustimmung verbindet sich der andauernde Auftrag an (Landes-) Politiker verantwortlich zu haushalten und keine unfinanzierbaren Wahlversprechen abzugeben. Die erfolgreiche Volksabstimmung bietet die Chance, dass das vermeintliche polit-ökonomische Gesetz „gewählt wird, wer am meisten (schuldenfinanzierte) Wohltaten verspricht“ durchbrochen wird. Verantwortliche Politik muss dem Wahlvolk zu aller erst darlegen, was mit den ordentlichen (Steuer-) Einnahmen finanzierbar ist und vor allem was nicht. Eine Flucht in die Verschuldung ist eine Flucht vor der Verantwortung. Dies gilt umso mehr in Anbetracht der Staatschuldenkisen in Europa und der mittlerweile bestehenden europäischen Haftungsgemeinschaft des Euros.

Die Besonderheit der hessischen Schuldenbremse liegt nicht in ihrer Ausgestaltung, sondern sie ergibt sich vielmehr durch ihr – zugegeben landesverfassungsrechtlich vorgeschriebenes – Zustandekommen durch Volksabstimmung. Die Zustimmung des Volkes verschafft ihr besonders große Legitimation und ist damit Vorbild für andere Bundesländer!

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Europa – eine Schuldenunion

Aus dem Provisorium wächst eine Dauerinstitution. Der Rechtsbruch wird legalisiert. Mit diesen kritischen Tönen könnte man die Zwischenergebnisse der europäischen Finanzminister in Vorbereitung auf den EU-Gipfel Ende dieser Woche kommentieren. Aus meiner Sicht ist die Kritik gerechtfertigt.

Die European Financial Stability Facility (EFSF) war als übergangsweises Provisorium in einer historisch einmaligen Krisensituation gedacht (Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am 24.7.2010: „Die Rettungsschirme laufen aus. Das haben wir klar vereinbart.“). Heute redet man noch nicht einmal über „Verlängerung“, sondern über die dauerhafte Institutionalisierung eines Schulden-Fonds für Schulden-Sünder. Die Zeit der Krisenbewältigung wurde offenbar nicht konsequent genutzt, um zur Normalität (solide Staatsfinanzen und Einhaltung der Maastricht-Kriterien) zurück zu kehren. Vielmehr soll Europa nun als Schuldenunion zementiert werden.

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Alternativen zur monetären Planwirtschaft

Flankiert von dem Unwort des Jahres 2010 „alternativlos“ schlittert die Europäische Union in eine monetäre Planwirtschaft. Die angebliche Alternativlosigkeit verbietet es genauso über Alternativen zum 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm nachzudenken, wie über die Rechtsstaatlichkeit in Europa, über den Schutz der individuellen Freiheit und über eine freiheitliche Wirtschaftsverfassung. Und natürlich dürfen auch die Hauptursachen der Verschuldungskrise nicht benannt werden: die Geld- und Kreditschöpfung aus dem Nichts und die Möglichkeit, staatliches ungedecktes Zwangspapiergeld unbegrenzt vermehren zu können. Denn scheitert der Euro, scheitert Europa.

Klaglos wird hingenommen, dass zwei Drittel des Steueraufkommens des Bundes für die Staatsschulden anderer Länder verpfändet wurden. Das Ganze geschah ohne einen Parlamentsvorbehalt und ohne eine rechtliche Grundlage in den europäischen Verträgen. Dabei hatte noch 2009 das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil das Budgetrecht des Parlaments zum Kernbereich des demokratischen Lebens gezählt. Mit der nun geplanten „Verstetigung“ des Euro-Rettungsschirms verliert der Deutsche Bundestag sein Königsrecht der freien Haushaltsplanung und -verabschiedung.

Tatsache ist: Europa und der Euro befinden sich in einer großen Vertrauenskrise. Aber die Antwort darauf kann nur ein Europa des Rechts, des Wettbewerbs und der Marktwirtschaft sein. Regeln, die gemeinsam vereinbart wurden, müssen eingehalten und von der EU-Kommission, als Hüterin des Rechts, durchgesetzt werden. Nicht planwirtschaftliche Gleichmacherei durch Bürokraten einer Wirtschaftsregierung oder einen „Pakt für den Euro“, sondern mehr Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, als Entmachtungsinstrument und faktische Schuldenbremse müssen zugelassen werden. Und schließlich ist eine marktwirtschaftliche Geldordnung vonnöten, die der EZB nicht erlaubt, den Zins und damit die marktwirtschaftliche Ordnung zu manipulieren. Dieser Dreiklang ist die Alternative zur Alternativlosigkeit!


Die Langfassung dieses BlogBeitrags ist in der WirtschaftsWoche Ausgabe 11/2011 als Namensbeitrag erschienen.