Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 1 Kommentar zu 2011 – Jahr der Konsolidierung

2011 – Jahr der Konsolidierung

Konjunkturprogramme: Deutschland hat viel gemacht.

Mit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise erlebten staatliche Konjunkturprogramme eine Renaissance. Und in vielen Ländern verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Dies sollte aber nicht dazu führen, die grundsätzlichen Probleme solcher staatlicher Hilfen außer Acht zu lassen. Nicht zu Unrecht werden sie seit den 70er Jahren von den meisten Ökonomen sehr kritisch betrachtet. Denn damals galt der Grundsatz: Kaum schwächelte die Wirtschaft, schon wurde von zahlreichen Politiker und Ökonomen reflexartig nach staatlichen Hilfen gerufen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass hier im Regelfall mehr Schaden angerichtet wurde als zu einer nachhaltigen Lösung einer schwächelnden Wirtschaft beizutragen. Fakt ist: Ein dauerhaft höheres Wirtschaftswachstum ist mit den staatlichen Eingriffen nicht zu erreichen. Erfolgreich scheinen sie nur dann zu sein, wenn es zu einem plötzlichen, starken Einbruch der Nachfrage kommt.

Aber auch dann sich Konjunkturprogramme nicht unproblematisch. Sie müssen rechtzeitig in Kraft treten und zielgerichtet ausgestaltet sein. Wichtig auch: Sie müssen in zeitlich befristet sein, damit sie die öffentlichen Haushalte nicht dauerhaft belasten und somit die zukünftigen haushaltspolitischen Spielräume nicht zu sehr einengen. Schließlich muss auch der Grundsatz beachtet werden: Wer in der Krise die staatlichen Aktivitäten massiv ausweitet, muss diese später auch im gleichen Umfang wieder zurückfahren. 2009 und 2010 hat Deutschland 4,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Konjunkturprogramme ausgegeben. Damit war Deutschland im EU-Vergleich sehr ambitioniert. Folglich sind auch die Vorwürfe aus dem Ausland haltlos, Deutschland stütze die internationale Konjunktur zu wenig. Für 2011 gilt es nun mit dem Abbau der durch die Konjunkturprogramme entstandenen Staatschulden zu beginnen, um das künftige Wachstum nicht zu beeinträchtigen. Wünschenswert wäre es, wenn Deutschland nun auch hier im EU-Vergleich eine Vorreiterrolle spielen würde.


Die Langfassung dieses Beitrags ist als IW-Trends 4/2010 erschienen.

Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 11 Kommentare zu Pflegebombe systematisch entschärfen

Pflegebombe systematisch entschärfen

Zahl der Pflegefälle nach Altersgruppen.

Rente, Krankenkasse, Pflegeversicherung – diese gesetzlichen Sicherungssysteme basieren auf einem umlagefinanzierten Modell, d. h. hier werden Leistungen an eine Generation durch die nachfolgende finanziert. Solche Systeme sehen sich angesichts des demografischen Wandels bedrohlichen Herausforderungen gegenüber. Die Alterung der Gesellschaft schlägt sich in einer Erosion der Einnahmen nieder, bei einem gleichzeitigen Anstieg der Leistungsausgaben. Die Zeche zahlen die jungen Generationen. Mit einer stark alternden Gesellschaft werden umlagefinanzierte Systeme nicht fertig. Die Kostenbombe tickt überall – auch bei der Pflege.

Systematische Probleme erfordern systematische Reformen. Mit einer Kapitaldeckung der Pflegeversicherung kann man die Lasten für die zukünftigen Generationen zumindest einschränken. Kapitalgedeckte Systeme ermöglichen eine nachhaltige Finanzierung der Versicherungsleistungen, weil die gesamten Kosten einer Kohorte über den Lebenszyklus in deren Prämien einkalkuliert werden – ohne Rückriff auf kommende Generationen. Einkommensunabhängige, risikoadäquate Kalkulationen der Versicherungsprämien ermöglichen dabei außerdem effizienten Wettbewerb zwischen Versicherungen. Davon profitieren alle.

Wird politisch der Bruch mit dem Umlagesystem gescheut, weil dies die Misere der impliziten Verschuldung offenbaren würde, so spricht viel dafür, die bestehende gesetzliche Pflegeversicherung zumindest nicht weiter auszuweiten, sondern mit einer kapitalgedeckten Zusatzversicherung zu flankieren. Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. Soviel Mut muss die Politik aufbringen.


Dr. Steffen J. Roth ist Geschäftsführer des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. Die Langfassung dieses Beitrags ist am 04.1.2011 als „Ordnungspolitischer Kommentar“ des Instituts erschienen.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 3 Kommentare zu Der Zonen-Hans-Olaf

Der Zonen-Hans-Olaf

Rettet unser Geld

Buchkritik: Hans-Olaf Henkel: Rettet unser Geld. Deutschland wird ausverkauft – Wie der Euro-Betrug unseren Wohlstand gefährdet, München 2010

Was Hans-Olaf Henkel zu diesem Buch getrieben hat, mag sein schlechtes Gewissen sein. Oder Angst um sein Geld. Vielleicht auch die Lust, eine Art „Sarrazin des Euros“ abzugeben. Oder der Wunsch, mal wieder was zu sagen. Es ihm gelungen. Sein Werk über den gefährdeten Euro polarisiert. Die Hauptthese: zwei Sorten Euros für Europa! Dass der Verkauf des Buches ihm sein Ränzlein noch mal tüchtig mit Euros füllen soll, ist natürlich nur eine gemeine Randbemerkung.

Betrug, Untreue, Putsch – harte Worte, die Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel gleich zu Beginn seines Buches Politikern und Managern entgegenschleudert. Die Auflösung des Schutzschirms von Maastricht zugunsten eines „Schutzschirms, der bedrohte Schuldenstaaten auf unsere Kosten retten soll“, sei ein Fall der Untreue. Das Zusammenwirken von EU-Politikern, die „um ihrer eigenen Sicherheit willen, den Deutschen deren Sicherheit abluchsten“, sei Betrug. Und den „in einer Nacht- und Nebelaktion durchgezogenen Bruch von Verträgen früherer Regierungen, nenne ich einen Putsch“, schreibt Henkel.

Ein Autor, der so anfängt, will nicht Wohlgefallen erzeugen. Er will provozieren, und das durchaus nicht unbescheiden. Aber das ist man ja von Hans-Olaf Henkel, einstiger Frischwindmacher der Deutschen Industrie, gewöhnt. Was hat er also zu sagen: Henkel hatte einst vehement für die Einführung des Euros in der Industrie gekämpft, schreibt er. Jetzt fühle er sich schuldig. Die Versprechungen rund um den Euro seien gebrochen, die Zeit des alten Euro abgelaufen. Er fordert eine neue Währung, „die den nationalen Unterschieden Rechnung tragen muss“.

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Zitat

Konsumprodukte erlöschen durch ihre Verwendung. Sie sind da, um nicht mehr da zu sein.

— Günther Anders, (eigentlich: Günther Stern), 1902-1992, deutscher Schriftsteller, Kulturphilosoph

Steuern und FinanzenTagged , , , , , 15 Kommentare zu Mit Entstaatlichung schneller ans Ziel

Mit Entstaatlichung schneller ans Ziel

Zwei Drittel des Benzinpreises sind Steuern oder sonstige Abgaben. Mit einer Privatisierung der Straßen hätten KfZ, Mineralöl- und Ökosteuern keine Berechtigung mehr.

“Alle Jahre wieder kommt das Christuskind…” – vorausgesetzt es steht nicht im Stau. Angesichts kilometerlanger Schlangen auf den Autobahnen vor allem um die Weihnachtszeit fragt man sich, ob hier Ressourcen optimal genutzt werden. Durch Unfälle, Verspätungen und Baustellen entstehen hohe Kosten für die Volkswirtschaft. Grund genug für eine Optimierung des Straßennetzes. Straßen könnten von privaten Investoren effizient betrieben werden.

Autobahnen, Bundes-, Land- und kommunale Straßen sollten über Auktionen an private Betreiber übertragen werden. Unternehmen sollten die Verantwortung für Betrieb, Instandhaltung und Neubau der Straßennetze erhalten. Finanziert werden könnte der Betrieb durch Werbung, Sponsoren oder ein GPS basiertes Abrechnungssystem. Autofahrer müssten dann – wenn überhaupt – nur noch für die tatsächlich zurückgelegten Strecken bezahlen, eventuell je nach Tageszeit oder Verkehrsaufkommen zu unterschiedlichen Tarifen. So ließen sich Verkehrsströme effizient lenken. KfZ-, Öko- und Mineralölsteuer hätten keine Existenzberechtigung mehr. Das würde auch zu einem deutlich geringeren Benzinpreis führen.

Nur Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, werden ihren Kunden Verkehrsleistungen bieten, die sie auch brauchen. Innovationen wie eisfreie Autobahnen, getrennte LKW- oder automatisierte Hochgeschwindigkeitsstraßen sind dann nur noch technische Hürden gesetzt.


Die Langfassung dieses Beitrags ist in der Ausgabe 01/2011 des Magazins €uro erschienen.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , 17 Kommentare zu Das verflixte Wahljahr 2011

Das verflixte Wahljahr 2011

Wahltage sind Zahltage! Die Parteien werden im Neuen Jahr bei mindestens sieben Landtags- und drei Kommunalwahlen vom Wahlvolk bewertet. Wahljahre sind aber auch Jahre, in denen Entscheidungen nicht getroffen, sondern vertagt werden. Parteien wollen möglichst keine Angriffsflächen für die politische Konkurrenz bieten und halten sich deshalb mit Anstößen für substanzielle Veränderungen zurück.

2011 könnte also zum Jahr des politischen Attentismus werden. Für die öffentliche Meinungsbildung wird das bereits vertraute Lied vom neuen Wirtschaftswunderland Deutschland in allen Variationen angestimmt, in dem die Arbeitslosigkeit immer weiter sinkt und kräftige Lohnerhöhungen für neue Kaufkraft sorgen. Für die soziale Balance wird kräftig getrommelt, speziell für flächendeckende Mindestlöhne und höhere Sozialtransfers. Vom Sparen wird immer weniger geredet werden, stattdessen umso mehr von der notwendigen Nettoentlastung der Steuerzahler. Begriffe wie Staatsschulden- und Währungskrise nehmen bald nur noch notorische Defätisten in den Mund.

Deutschland ist in der Tat derzeit relativ stark. Das hat zwei Hauptgründe: der eine ist ein schlichter statistischer Basiseffekt. Weil 2009 die Jahreswirtschaftsleistung in den Keller rauschte wie nie zuvor, gelingt 2010 mit der Kehrtwende in wichtigen Exportmärkten der schnelle Wiederaufstieg.

Der zweite Grund für die relative deutsche Stärke liegt an dem Anpassungsschock, den die Deutsche Wiedervereinigung auslöste. Weil die Staatswirtschaft der alten DDR binnen Monaten implodierte, Arbeitslosigkeit, Staatsschulden und Sozialbgaben explodierten, sank der Pro-Kopf-Wohlstand in Deutschland über viele Jahre hinweg kontinuierlich. Die Einkommen stagnierten oder sanken inflationsbereinigt über eineinhalb Jahrzehnte auf breiter Front. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände flexibilisierten starre Tarifstrukturen. Der Zwang zu Reformen in der Rentenversicherung und bei der Sozialhilfe wurde so groß, dass die unterschiedlichsten Regierungskonstellationen nicht daran vorbei kamen. Wenn man so will, ist die deutsche Volkswirtschaft krisenerprobter in die globale Finanzmarktkrise geraten als viele andere Ökonomien, die ihre Anpassungsschocks erst noch bewältigen müssen.

Doch gerade wenn man sich die Ursachen des deutschen Wintermärchens zum Jahreswechsel vergegenwärtigt, dann wird die Botschaft zu Beginn des verflixten Wahljahres an das politische Establishment umso dringlicher:

1. Deutschland muss steigende Steuereinnahmen in erster Linie zum Abbau der Staatsverschuldung nutzen. Konsolidierung ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für langfristige Prosperität!

2. Soziale Absicherung heißt Absicherung auf existenzsicherndem Niveau, nicht Lebensstandardsicherung!

3. Kranken- und Pflegeversicherung harren weiter einer demografiefesten Reform!

4. Ohne Abbau der Beamtenprivilegien werden die meisten Länderhaushalte das Ziel, ab 2020 ohne Nettoneuverschuldung auszukommen, nie erreichen!

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 7 Kommentare zu Was ist “Quantitative Easing”?

Was ist “Quantitative Easing”?

Für 600 Milliarden will der Chef der amerikanischen Notenbank Ben Bernanke noch einmal Wertpapiere kaufen. „Quantitative Easing“ lautet dafür der ökonomisch-technische Fachbegriff. Oder untechnisch ausgedrückt: “Die FED druckt Tonnen von Geld”, wie der dunkle Bär in einem YouTube Video richtig feststellt. Grund für die drastischen Markteingriffe sei die Angst der FED vor einer Deflation in Amerika. Doch die Bären zweifeln: Rohstoffpreise steigen und Lebensmittel werden teurer. Sogar Fahrkarten für die U-Bahn verteuern sich: „Das einzige was deflationiert ist die Glaubwürdigkeit der FED“ – das verstehen sogar Bären.


Lesen Sie weitere aktuelle Beiträge im ÖkonomenBlog zur Geldpolitik:
* Liquidität ohne Ende – Von Dr. Manfred Jäger-Ambrozewicz
* Schluss damit – Von Marc Feist

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 22 Kommentare zu 2.000.000.000.000

2.000.000.000.000

Die Schuldenlast ist gewaltig. Auf insgesamt 2 Billionen türmt sich mittlerweile die gesamtstaatliche Schuld der Bundesrepublik.

Unaufhaltsam schreitet die deutsche Staatsverschuldung voran. Ende dieses Jahres wird ein weiterer Negativrekord gebrochen: Deutschlands Staatsschulden werden den astronomischen Wert von 2.000.000.000.000 Euro übersteigen. Im Jahr 2010 sind 325 Milliarden Euro an neuen Schulden aufgetürmt worden. Damit haben die Schulden täglich im Durchschnitt um unfassbare 890 Millionen Euro zugenommen.

All dies hat dramatische Auswirkungen. So schätzt das Bundesfinanzministerium die Zinslasten für die Schulden für das Jahr 2010 auf 58,5 Milliarden Euro. Geld das für andere Zwecke, wie beispielsweise Bildung und Infrastruktur, nicht zur Verfügung steht. Und dabei liegen die Zinsen derzeit auf einem historischen Tief. Steigen sie künftig nur leicht, werden die Zinszahlungen des Staates kräftig in die Höhe schießen.

Vor dem Hintergrund dieser düsteren Aussichten könnte man meinen, dass die Politik nun endlich die große Wende einleitet: Raus aus der Schuldenfalle. Aber weit gefehlt. Angesichts der gewaltigen Herausforderungen sind die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung schlicht unzureichend. Dabei könnte die Politik bei den Subventionen Milliardenbeträge einsparen.


Dr. Alfred Boss ist Mitarbeiter im Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Seine Forschungsschwerpunkte sind Öffentliche Haushalte, Sozialversicherung, Steuerpolitik, Subventionswesen und Sozialpolitik.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 35 Kommentare zu Mit Mindestlohn in die Planwirtschaft

Mit Mindestlohn in die Planwirtschaft

Alle Jahre wieder werden auch Forderungen nach Mindestlöhnen von Seiten einzelner Unternehmen laut. 10 Euro für alle fordert Lidl. Lohndumping soll so verhindert werden. Warum eigentlich ausgerechnet 10 Euro? 20 Euro Stundenlohn wäre doch gerade vor Weihnachten für viele ein willkommenes Geschenk.

Man muss wissen: Grundsätzlich unterscheidet sich der Arbeitsmarkt nicht von einem Gütermarkt. Löhne bilden sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Übersteigt die Lohnforderung die Produktivität wird der Arbeitnehmer nicht eingestellt bzw. muss von seiner Forderung abrücken. So einfach ist das. Wird aber ein Mindestlohn vereinbart, übersteigt in vielen Fällen die Mindestzahlung die Produktivität. Der Arbeitnehmer wird nicht eingestellt. So verursachten Mindestlöhne Arbeitslosigkeit.

Wären die Mindestlohn-Befürworter konsequent, müssten sie sich auch für Mindestpreise aussprechen. Denn nur wenn ein planwirtschaftlich vereinbarter Mindestpreis an Produzenten bezahlt wird, können diese auch „ausreichend“ hohe Löhne zahlen. Was dabei allzu gerne übersehen wird: Die Kosten werden immer an den Verbraucher weitergegeben. Die Zeche zahlt so der Konsument.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 27 Kommentare zu Von Schnäppchenjägern und Mindestlöhnen

Von Schnäppchenjägern und Mindestlöhnen

Viele Nachbarstaaten Deutschlands haben Mindestlöhne. Auch in Deutschland gibt es mit Hartz IV einen impliziten Mindestlohn.

Die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen ist populär im Land. Wer in Vollzeit arbeitet, soll auch davon leben können! Das klingt sozial, nicht nur in der Vorweihnachtszeit.

Doch die Wirklichkeit ist komplizierter und wir alle sind nicht nur Arbeitnehmer, die für sich selbst ordentliche Löhne erwarten. Wir sind auch Konsumenten. Viele Deutsche sind Schnäppchenjäger, allzeit bereit, jedes Produkt und jede Dienstleistung zu Schnäppchenpreisen einzukaufen. Der Gegenwert für die im Produkt steckende Arbeitsleistung ist dem Kunden schlussendlich egal – Hauptsache billig! Dasselbe gilt im Handwerk. Allzu gerne weichen wir Kunden auf Schwarzarbeit aus. Denn wer will schon freiwillig Verrechnungspreise für Gesellen bezahlen, die inklusive Mehrwertsteuer bereits knapp 50 Euro pro Stunde kosten?

Wir sind Heuchler und Pharisäer, wenn wir die ökonomischen Zusammenhänge in der Diskussion um gesetzliche Mindestlöhne außer Acht lassen. Die Lohnfindung gehört in die Betriebe, ist Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgebern, nicht des Gesetzgebers.

Das Münchner ifo-Institut hat den Arbeitsplatzverlust durch einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro (!) vor gut zwei Jahren auf bis zu 1,1 Millionen geschätzt. Was haben Menschen mit geringer Qualifikation oder Langzeitarbeitslose davon, einen gesetzlichen Mindestlohn garantiert zu bekommen, wenn dieser verhindert, dass sie überhaupt einen Arbeitsplatz finden?

Übrigens: Wir haben in Deutschland einen Mindestlohn – der nennt sich Hartz IV. Für einen arbeitslosen Alleinstehenden ist eine Vollzeitstelle unattraktiv, wenn sein monatlicher Bruttolohn nicht höher als 1200 Euro liegt. Das entspricht einem Stundenlohn von rund 7,50 Euro.

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 2 Kommentare zu Euro-Bond: Prinzipieller Fehlanreiz

Euro-Bond: Prinzipieller Fehlanreiz

Deutschland, Portugal, Spanien und Italien brauchen im kommenden Jahr frisches Geld von den Kapitalmärkten. Irland und Griechenland können sich zinsgünstig aus dem Rettungstopf bedienen.
Es ist eine Binsenweisheit: Wer die Musik bestellt, muss die Kapelle bezahlen. Eine oft benannte Regel, die leider regelmäßig nicht beachtet wird.

Ein kurzer Rückblick: Die Finanzkrise war auch deshalb so schlimm, weil Investoren unvorsichtig Kredite vergaben und dabei hofften, dass zahlungsunfähigen Schuldnern von Dritten geholfen wird. So ist es zur Schuldenkrise in Griechenland gekommen, wo internationale Investoren viel zu lange Kredite mit viel zu niedrigen Zinsen vergeben haben. Die Investoren spekulierten auf die Solidarität und ignorierten die No-Bail-Out Klausel – und behielten Recht.

Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Schuldenkrise fordern jetzt einige Europäer Anleihen, für die alle Euroländer gemeinsam haften. Den Nutzen hätten die klammen Staaten und Verantwortung müssten ausgerechnet jene Länder übernehmen, die solide gewirtschaftet haben. Fehlanreize würden zum Prinzip erhoben und die Bedingungen für die Einführung des Euro auf den Kopf gestellt.

Zu Recht weist die Bundesregierung darauf hin, dass Länder mit souveräner Wirtschaftspolitik auch souverän genug sein müssen, ihre Schulden selbst zu verantworten. Denn Binsenweisheiten gelten auch für Staaten.

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 3 Kommentare zu Steuern und Abgaben steigen

Steuern und Abgaben steigen

Ein durchschnittlicher Privathaushalt zahl

Vor jedem Regierungswechsel beteuert die Politik, dass zukünftig die Belastung der Bürger durch Steuern und Abgaben sinken wird. Nach der Wahl kommt es dann aber häufig ganz anders. Entweder die Politik verweist auf fehlende Spielräume für Entlastungen. So als ob sich unmittelbar nach der Wahl die Rahmenbedingungen gänzlich verändert hätten. Oder aber es werden diverse Entlastungen des Bürgers aufgezählt, aber zahlreiche zusätzliche Belastungen verschwiegen.

In der Summe ergibt sich dann häufig eine Mehrbelastung der Privathaushalte. Genau diese Entwicklung belegen die aktuellen Einkommens- und Verbraucherstichproben des Statistischen Bundesamtes. Demnach führten die privaten Haushalte 2008 im Schnitt 21,4 Prozent ihrer Bruttoeinkommen an Staat und Sozialkassen ab. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als 1993 und ein Prozentpunkt mehr als 2003. Kein Wunder, dass das Vertrauen der Bürger in die Politik schwindet. Wer hier Boden gut machen will, sollte mit seinen Ankündigungen künftig ernst machen.


Hier geht es zur Untersuchung des Statistischen Bundesamtes: Wo bleibt mein Geld? Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, Berlin 2010

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Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 4 Kommentare zu Gesundheitsreform: Ziele verfehlt

Gesundheitsreform: Ziele verfehlt

Die Gesundheitskosten in Deutschland sind im internationalen Vergleich hoch. Ein Grund dafür sind diverse Umverteilungsinstrumente in der GKV.

Mehr Transparenz, Stabilität und Gerechtigkeit im Gesundheitssystem – dies waren die angekündigten Ziele der letzten Gesundheitsreform. Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd. Dabei sind die Mängel des heutigen Systems so offensichtlich: Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit orientieren sich ausschließlich an den Löhnen und Renten. Sonstige Einnahmen werden nicht berücksichtigt. Neben der unsystematischen Umverteilung induzieren lohnabhängige Beiträge außerdem negative Arbeitsmarktwirkungen. Trotzdem werden nun weder die lohnabhängigen Beiträge noch die beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten abgeschafft. Damit werden mitunter auch weiterhin Personen unterstützt, die selbst für ihre Beiträge aufkommen könnten und dies von Bürgern, die weit weniger haben.

Unsystematische Umverteilungsströme ergeben sich auch bei den pauschalen Zusatzbeiträgen. Der Sozialausgleich knüpft auch hier nur an Löhnen und Renten an. Zusätzlich werden ganze Gruppen von der Zahlung der Zusatzbeiträge befreit: So müssen weder beitragsfrei Mitversicherte noch die Bezieher von „Entgeltersatzleistungen“ Zusatzbeiträge entrichten. Zu letzteren gehören beispielsweise Bezieher von Elterngeld. Warum diese Gruppe ausgenommen wird, bleibt völlig unklar. Sind sie besonders bedürftig, weil sie Kinder erziehen? Und warum ist man als Bezieher von Elterngeld anders zu behandeln als beispielsweise ein ALG-I-Bezieher – übrigens auch eine Entgeltersatzleistung –, der nach dem Willen der Koalition Zusatzbeiträge entrichten muss? Hier ist keinerlei Systematik zu erkennen. Kurz: Keines der Reformziele wurde erreicht. Wie bei allen anderen Gesundheitsreformen zuvor muss man wohl auch diesmal wieder feststellen: Nach der Reform ist vor der Reform.


Christine Arentz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. Die Langfassung dieses Beitrags ist am 07.12.2010 als „Ordnungspolitischer Kommentar“ des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln erschienen.

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 6 Kommentare zu Amerikanisch sind wir geworden

Amerikanisch sind wir geworden

Deutschland hat bei der ökonomischen Aufholjagd nach der Krise die Nase vorn. Die Konjunktur brummt: Bei den Exporten wie auch beim privaten Verbrauch. Warum kann gerade die deutsche Volkswirtschaft die Krise so kraftvoll bewältigen?

Sicher profitieren wir jetzt von der internationalen Verflechtung unserer Industrie: zieht die Weltkonjunktur an, steigt auch der Umsatz der exportorientierten Unternehmen. Das alleine macht Deutschland aber noch nicht zur Wachstumslokomotive: Deutschland profitiert jetzt von seiner Veränderungsbereitschaft vergangener Jahre. Das Land des rigiden Flächentarifvertrags und der starren Ladenschlusszeiten gibt es nicht mehr. Der “Rheinische Kapitalismus” mit der Macht der Verbände hat Schritt für Schritt einer Marktwirtschaft (Marke: “Berliner Republik”) Platz gemacht. Dies ist letztlich die Folge zweier epochaler Ereignisse: der Deutschen Einheit und der Globalisierung.

In Ostdeutschland entstand nach der Wiedervereinigung eine moderne Industrie außerhalb des Tarifkorsetts – und wurde so auch zum Vorbild für viele Betriebe im Westen. Mit der günstigen Entwicklung der Lohnstückkosten stieg auch die globale Wettbewerbsfähigkeit beider Landeshälften spürbar an. Mit der Leiharbeit wurden die rigiden Vorschriften des Kündigungsschutzes umschifft. Kurz gesagt: Deutschland rückte ein Stück näher an Amerika, und zwar genau dort, wo es besonders nötig war: in der marktwirtschaftlichen Flexibilität. All dies geschah nicht ohne Protest. Aber es geschah. Und heute profitieren wir davon.


* Ursprung dieses Blogbeitrages ist ein Namensartikel im Handelsblatt – diesen können Sie hier nachlesen.
* Eine Rezension zum Buch „Wachstum“ von Karl-Heinz Paqué finde Sie hier.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , Leave a Comment on Die Luftfrachtbranche

Die Luftfrachtbranche

Deutschlands Gewerkschaften haben in den letzten 20 Jahren fast die Hälfte ihrer Mitglieder verloren.

Ich sitze an meinem Fenster und gucke nach den Flugzeugen, die auf dem Flughafen Frankfurt landen – mein Haus liegt ziemlich genau in der Einflugschneise. Ich würde so gerne mal einen A-380 sehen. Damit war mir bis jetzt kein Glück beschieden. Was häufiger kommt, sind die MD-11 der Lufthansa Cargo. Das sind große, dreistrahlige Maschinen, gebaut von McDonnell Douglas, noch bevor es bei den Flugzeugkonstrukteuren nur Airbus und Boeing gab. Heute kamen davon schon drei, denke ich. Die Lufthansa Cargo hat 18 von denen. Das ist ihre gesamte Flotte. Die größte Frachtairline der Welt, FedEx, hat 664 Flugzeuge.

Und ich muss plötzlich denken: ist das nicht vollkommen ineffizient, dass es x Frachtairlines gibt, die alle in Frankfurt Personal und Material unterhalten? Jede einzelne mit einem Vorstand, der viel Geld kostet? Wäre es nicht viel billiger, wenn die sich ihre Frachthubs alle teilen würden? Die nicht mehr doppelt und dreifach anfliegen müssten? Wenn sie alle zusammen ihre Flugzeuge bestellen würden? Vielleicht könnte das eine Behörde organisieren, die das große Ganze überblickt? Da könnte man Fracht doch viel billiger transportieren – zum Nutzen aller.

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Wir sind das Geld

Kulturgeschichte des Geldes

Buchkritik: Dieter Schnaas: Kleine Kulturgeschichte des Geldes, München 2010

Dieter Schnaas hat sich was Unerhörtes geleistet. In nur 170 Seiten schüttelt er ebenso rasant wie filigran die gesamte Evolutionsgeschichte des Geldes aus dem Ärmel, von den Phöniziern bis zur Finanzkrise – und hinterlässt einen von Wortgewalt und Gelehrtheit erschlagenen Leser zurück, den zum Schluss taumelnd nur die Einsicht auf den Beinen hält: Geld ist Droge, Geld ist Dreck. Aber man muss es haben.

Natürlich kann man hier auf keinen Fall von einer „Kleinen Kulturgeschichte des Geldes“ sprechen. Koketterie und Provokation treiben den Berliner Wirtschaftsjournalisten Dieter Schnaas wohl zu dieser frechen Untertreibung. Die kulturhistorische Fundierung und analytische Tiefenschärfe dieses furiosen Essays macht es zu einem großen Buch – angesichts dessen sich andere jüngst erschienene Werke zur Finanzkrise einer mit Sinnsprüchen bedruckten Klorolle als ebenbürtig entlarven. Soweit das Lob.

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