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Quo vadis Pittsburgh (1)

Ab Donnerstag tagen die Staats- und Regierungschefs der 20 größten Wirtschaftsnationen in Pittsburgh.ÖkonomenBlog-Spezial: Statements zum Gipfeltreffen

Pittsburgh – ein Jahr nach dem großen Crash. In nur wenigen Tagen gingen im September 2008 ganze Banken unter, verloren Aktien dramatisch an Wert und rissen die Realwirtschaft gleich mit in den Keller. Auf der dritten G-20-Konferenz sollen die Absichtserklärungen der vergangenen Tagungen nun konkretisiert und umgesetzt werden. Was erwarten die Ökonomen von den Staats- und Regierungschefs der 20 größten Wirtschaftsnationen der Welt? Quo vadis Pittsburgh?

Heute: van Suntum, Roubini, Bofinger.

Prof. Dr. Ulrich van Suntum, geschäftsführender Direktor des Centrums für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Münster (CAVM):

„Notwendig sind schärfere internationale Regeln für das Anlageverhalten von Banken und für ihre Eigenkapitalausstattung. Wünschenswert wäre es auch, wenn man sich bei der Struktur der Manager-Boni auf gemeinsame Grundsätze einigen könnte. Schon Adam Smith schrieb 1776, dass man die Banken wegen ihrer Bedeutung für die Stabilität des Finanzsystems nicht einfach dem freien Wettbewerb überlassen darf!“

Nouriel Roubini, Professor für Ökonomie an der New York University (Auszug aus SZ vom 15.09.2009):

„Wir brauchen ein neues System, strengere und einfachere Regeln: Der Verschuldungsgrad der Banken muss viel niedriger werden, die Kapital- und Liquiditätsreserven müssen steigen und die Eigenkapitalvorschriften stärker antizyklisch wirken.“

Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg (Auszug aus SZ vom 15.09.2009):

„(Die) Bankenaufsicht muss in einer Hand liegen, für den Euroraum wäre eine gemeinsame Aufsicht erforderlich.“

Weitere Statements im ÖkonomenBlog: Freytag, Kirsch, Knipping, Meltzer (Mittwoch), Hüther, Schäffler, Posen (Donnerstag), Hartmann-Wendels, Sinn, Matthes, Shiller (Freitag).

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Börsenumsatzsteuer vergessen

Deutschland plant eine Finanztransaktionssteuer

Wenn nicht alle Länder gemeinsam eine Finanztransaktionssteuer einführen, „dann können Sie das Ding vergessen“. So äußerte sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück im Mai dieses Jahres. Auf Anfrage teilte die Bundesregierung zum Thema Tobinsteuer mit: „Eine weltweite Einführung ist auch nicht absehbar“. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl hält Peer Steinbrück es aber nun gemeinsam mit dem Außenminister für angezeigt, nun doch die globale Finanztransaktionssteuer oder als Trostpreis die nationale Börsenumsatzsteuer zu fordern. 

Angeblich würden dadurch die Verursacher der Krise finanziell in die Verantwortung genommen. Tatsächlich würden am Ende aber die deutschen Kleinanleger zahlen müssen, während die großen Investoren ausweichen könnten. Das Thema  soll wohl als Handreichung für die Wahlkämpfer vor Ort dienen.  Es lässt sich ja auch so leicht sagen,  dass es die Steuer in Großbritannien schon gibt.  Die 15 Ausnahmetatbestände, die es dort gibt, lassen sich allerdings nicht so leicht aufzählen. Dass Juristen nun an der europarechtlichen Zulässigkeit zweifeln, wird ignoriert. Dass Dänemark (1999), Deutschland (1991), Frankreich (2008), Italien (2008), Luxemburg (1987), Niederlande (1990), Österreich (2001), Schweden (1991) und Spanien (1988) diese Steuer mit guten Gründen abgeschafft haben, spielt ebenfalls keine Rolle.

Die Argumente gegen die Steuer und die negativen Erfahrungen mit ihr lassen sich bequem in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der FDP-Fraktion zur Einführung einer Börsenumsatzsteuer in Deutschland nachlesen (BT-Drs. 16/12571). Das ermöglicht eine sachliche Diskussion des Themas. Die Bundesregierung kann ihre Forderung aber schon beim Vorbereitungstreffen der EU-Staaten nicht durchsetzen. Damit sollten wir den Finanzminister beim Wort nehmen: wir können das Ding vergessen.

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Handfeste Taten in Pittsburgh

Anteile der G20 Staaten an der Weltwirtschaftsleistung

In gut einer Woche, am 24. und 25. September, treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G20 Staaten zum dritten Mal – dieses Mal in Pittsburgh/USA. Bei den beiden vorigen Weltfinanzgipfeln im November 2008 und April 2009 sind umfangreiche Reformen der internatonalen Finanzarchitektur auf den Weg gebracht worden. Manches ist schon umgesetzt, vieles bislang aber nur in groben Zügen angekündigt. Angesichts der verbesserten Lage von Konjunktur und Banken darf der Reformeifer jetzt nicht erlahmen. Ein Zurück zum „business as usual“ darf es nicht geben. Vielmehr müssen den schönen Worten nun auch handfeste Taten folgen.

Greifbare Fortschritte gab es etwa bei den auf globaler Ebene zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln im Krisenfall. So wurden die Ressourcen des Internationalen Währungsfonds um rund 500 Milliarden US-Dollar erhöht und damit verdreifacht. Der Fonds muss allerdings – damit er wieder weltweit akzeptiert wird – die Beteiligung der Schwellenländer noch weiter deutlich verbessern. Zudem muss er unabhängiger werden, damit er zusammen mit dem Financial Stability Board seine Funktion als Frühwarner vor möglichen neuen Krisen auch effektiv wahrnehmen kann.

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Zitat

Das Gut Freizeit hat den Vorteil, daß es steuerfrei ist – noch!

— Clemens August Andreae, 1929-1991, österreichischer Nationalökonom

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Nicht an die Mehrwertsteuer gewöhnen

Komplizierte Erbschaftsteuer
Zum Ende der Legislaturperiode sei mir erlaubt zu sagen: Aus dem Blickwinkel einer vernunftgeleiteten Steuerpolitik waren das leider keine glanzvollen Jahre. Beispiel Erbschaftssteuer: Ein unverwechselbarer Sündenfall. Kompliziertere Wertermittlungsverfahren hätten keinem einfallen können – eine erhebliche Belastung für den Mittelstand, der für die Steuererhebung jetzt praktisch ein Gutachten beauftragen muss. Stattdessen wäre es sinnvoll gewesen, für die Erbschaftssteuer eine breite Bemessungsgrundlage mit einem niedrigen Steuersatz anzusetzen. Das wäre effizienter für alle Beteiligten.
 
Das andere Beispiel ist die Staatsverschuldung: Im Prinzip wissen wir vor der Bundestagswahl noch nicht, wie die Politik die hohe Staatsverschuldung zurückfahren kann. Union und Liberale wollen die Einkommensteuer sogar senken. Die SPD will die hohen Einkommensgruppen hingegen stärker belasten. Der Vorschlag für eine einmalige Vermögensabgabe kommt von den Grünen. Damit wollen sie die Staatsschulden in einem Ruck spürbar senken, ähnlich wie beim Lastenausgleich nach dem zweiten Weltkrieg. Ungeachtet aller praktischen Schwierigkeiten aus meiner Sicht eine Idee, über die diskutiert werden muss, denn irgendwie muss der gigantische Schuldenberg wieder abgebaut werden. Einmalige Steuerinstrumente müssen aber zwingend mit echten Reformen verbunden werden, damit das strukturelle Defizit beseitigt wird und sie auch wirklich einmalig bleiben. Von der Mehrwertsteuer sollte die neue Regierung aber besser die Finger lassen – denn eine krisenbedingte Erhöhung würden die Politiker sicher nicht mehr so schnell zurückdrehen. Da ist der Gewöhnungseffekt durch die Steuermehreinnahmen einfach zu groß.

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Teurer Brain Drain

Wanderungssaldo gegenüber den OECD Staaten

Fernsehserien wie „Deutschland adé“ oder „Die Auswanderer“, die den Umzug junger Familien ins Ausland dokumentieren sind derzeit in fast allen Fernseh-Programmen zu finden. Was die Sender aufgrund hoher Einschaltquoten jubeln lässt, kommt den Fiskus teuer zu stehen. Denn jede Fachkraft, die das Land verlässt, ist ein Verlust für unsere Volkswirtschaft und unseren Wohlstand zu Hause. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt auch eine aktuelle Studie des ifo Instituts.

Besonders teuer wird es, wenn gut qualifizierte junge Menschen nach Ausbildung und Studium ihre berufliche Perspektive nur noch im Ausland sehen. Denn die zum Teil öffentlich finanzierte Ausbildung von Fachkräften und Hochqualifizierten belastet zunächst die öffentlichen Kassen. Erst in der langfristigen Betrachtung zahlen sich öffentliche Bildungsinvestitionen auch für die Volkswirtschaft insgesamt aus. Dann aber übersteigen geleistete Steuern und Abgaben der Fachkräfte die Kosten für deren Ausbildung bei weitem.

Für einen Facharbeiter, der mit 23 Jahren das Land verlässt berechnet das ifo-Institut ein fiskalisches Minus von 281.000 Euro, für eine Ärztin sogar knapp 1,1 Millionen Seit 2003 sind per Saldo 180.000 Fachkräfte abgewandert. Die Kosten für den Staat dürften im Milliarden-Bereich liegen. Hinzu kommt der gesamtwirtschaftliche Schaden, der sich aus dem Fachkräftemangel ergibt. Schon jetzt zeichnet sich nach Angaben der Wirtschaft ab, dass Absolventen insbesondere in den MINT-Fächern nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Wenn die Wirtschaft wieder Tritt fasst, wird sich dieser Umstand als  enorme Wachstums- und Wohlstandsbremse erweisen.

Wir müssen also die Abwanderung aus Deutschland stoppen. Dafür muss die Politik durch eine kluge Gestaltung des Steuer- und Abgabesystems den Standort Deutschland für Fachkräfte wieder attraktiver zu machen.

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Regulieren statt verbieten

Nach wie vor unterscheiden sich Politik und Wirtschaft konträr hinsichtlich ihrer Beurteilung von Markt und Staat in puncto Effizienz und Versagen. Politiker neigen dazu, die Effizienz des Staates zu überschätzen und die Gefahr von Staatsversagen zu unterschätzen. Andererseits ist das Vertrauen der Politik in den Markt nach wie vor gering. Sie hängt fast süchtig an dem überkommenden Bild vom ständig drohenden Marktversagen. Dahingegen wurde für die Wirtschaft schon aus den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise von 1929 den Schluss gezogen, dass ein funktionierendes Wirtschaftssystem einer stabilen Ordnung bedarf, die nur von einem starken Staat garantiert werden kann. Gleichzeitig betont die liberale Sicht aber die höhere Effizienz des Marktes gegenüber dem Staat ebenso wie die Neigung der Politik den Staat durch einen ausufernden Interventionismus zu überfordern.

Die latenten Vorbehalte der Politik gegenüber dem Markt, verstellen ihr den Blick auf die tatsächlichen Ursachen von Marktversagen. Im Kern geht solches meist darauf zurück, dass infolge asymmetrischer Informationsverteilung einzelne Marktteilnehmer oder Gruppen die Möglichkeit haben, andere zu übervorteilen. Exemplarisch lässt sich dies anschaulich an der Subprime-Krise in den USA aufzeigen: So waren die Hausbesitzer bei der Hypothekenvergabe ebenso wie die Käufer der verbrieften Papier aufgrund nicht ausreichender Informationen überfordert. Während die Banken die unzureichende Haftung nutzten. Der Staat reagiert auf solche Vorkommnisse stets mit der gleichen Antwort – er spricht ein Verbot aus. Aber nicht im Verbot von Finanzinnovationen liegt die Lösung, sondern in einer besseren Regulierung der Anbieterhaftung, sprich der Banken.

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Ineffizient am Ziel vorbei

Die OECD zeigt: In Deutschland werden die Schwerpunkte falsch gesetzt ist. In Dänemark geht die Hälfte des Geldes in die Kinderbetreuung, in Deutschland nur ein Viertel.

Mit der Forderung nach einem höheren Kindergeld sind in Deutschland schon Bundestagswahlen (mit-)entschieden worden. In diesem Jahr versucht sich die Bundesfamilienministerin mit dem Versprechen nach einer Verlängerung der Vätermonate zu profilieren, andere werben für beitragsfreie Kindergärten und einer Herdprämie für die Kinderbetreuung zu Hause. Schon heute geben Bund, Länder und Gemeinden mehr Geld für Kinder- und Familienhilfen aus als die meisten anderen Industriestaaten.

Warum aber schneidet Deutschland bei all diesem familienpolitischen Eifer bei der aktuellen OECD-Studie so schlecht ab? Die Analyse zeigt: Weil zu viel Geld ineffizient verwendet wird. Es kommt ja nicht darauf an, wie viel Geld ausgegeben wird, sondern wofür – und für wen. „Wenn Deutschland in unseren Vergleichen schlecht abschneidet, liegt das daran, dass der Schwerpunkt der Ausgaben falsch gesetzt ist. In Dänemark geht die Hälfte des Geldes in die Kinderbetreuung, in Deutschland nur ein Viertel. Hier liegt das Problem“, sagte Willem Adema, OECD-Experte für Familienpolitik bereits im letzten Jahr.   

Eines ist klar: Wenn in Deutschland jedes sechste Kind in armutsgefährdeten Familien aufwächst, dann ist das für eines der reichsten Länder der Welt nicht akzeptabel. Die wichtigste Aufgabe der Familienpolitik muss also sein, für Kinder bestmögliche Betreuungs- und Förderangebote bereitzustellen und Eltern – vor allem allein erziehenden – den Wiedereinstieg in Arbeit zu ermöglichen.

Fast 184 Milliarden Euro landen in mehr als 150 Einzeltöpfen: vom Ehegattensplitting über das Kindergeld bis zur Kita-Finanzierung. Geld fließt augenscheinlich genug. Bei der Infrastruktur ist Deutschland aber noch immer weit abgeschlagen: Was uns trotz der Anstrengungen der letzten Jahre fehlt sind gute Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahre und qualitätsvolle Ganztagsangebote in Grund- und weiterführenden Schulen. Denn in den Ländern, die hier ordentlich aufgestellt sind, können deutlich mehr Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen. Die Kinder- und Bildungsarmut ist dort geringer. Noch mehr Kindergeld, noch mehr Elterngeld, eine Herdprämie für die Betreuung zu Hause und eine vollständige Abschaffung der Elternbeiträge  – alles wohlklingende Forderungen. Wer aber mit der Gießkanne staatliche Transfers an alle verteilt, tut für die wirklich bedürftigen Familien viel zu wenig.

Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 1 Kommentar zu Leistungsorientierte Vergütung – auch bei Lehrern möglich

Leistungsorientierte Vergütung – auch bei Lehrern möglich

In vielen Ländern wird zusätzliche Leistung der Lehrer durch Prämienzahlungen belohnt. Beispielsweise kennt das niederländische Schulsystem allein 14 verschiedene Möglichkeiten für Lehrer, sich einen Gehaltszuschlag zu verdienen.

Nach wie vor ist dem öffentlichen Schulwesen der Gedanke fremd, Lehrer für gute Arbeit mit Extra-Geld oder Karriereperspektiven zu entlohnen. Der internationale Vergleich zeigt zudem: Hohe Lehrergehälter allein sind kein Garant für gute Schülerleistungen. So verdienten 2006 in Deutschland Lehrer mit 15-jähriger Dienstzeit, die in der Sekundarstufe I (5 bis 10 Klasse) unterrichten, umgerechnet 51.435 Dollar. Damit lagen sie um 26 Prozent über dem Durchschnitt der betrachteten Industrieländer. Mehr bekamen nur ihre Schweizer Kollegen.

Die hohen Gehälter spiegelten sich aber nicht in den Ergebnissen des Bildungsvergleichstests PISA im Jahre 2006 wider. Finnische, niederländische, belgische und neuseeländische Schüler schnitten hier deutlich besser ab, obwohl das Lehrpersonal hier weniger verdient als in Deutschland. In all diesen Ländern wird zusätzliche Leistung der Lehrer durch Prämienzahlungen belohnt. Beispielsweise kennt das niederländische Schulsystem allein 14 verschiedene Möglichkeiten für Lehrer, sich einen Gehaltszuschlag zu verdienen. Je sechs davon entfallen auf den Bereich Unterrichtsbedingungen (Zulagen für Mehrarbeit, Sonderaufgaben, Schulaktivitäten, Unterricht von Schülern mit besonderem Qualifikationsbedarf) und auf den Bereich Qualifikation und Leistung (Zulangen für höheren Ausbildungsabschluss, Abschlussnote, Abschluss in mehreren Fächern, zusätzlich erworbene berufliche Qualifikationen sowie herausragende Unterrichtsleistungen).

Zwar gibt es in auch Deutschland ein Zulagensystem. Dies ist aber fast ausschließlich nicht auf Leistung ausgerichtet. Zuschläge zum Grundgehalt gibt es im Regelfall für Umstände, die mit guter Arbeit kaum etwas zu tun haben, wie beispielsweise die „Familienzulage“. Entgeltbestandteile hingegen, die ungünstige Unterrichtsbedingungen, eine hohe Arbeitsbelastung in korrekturintensiven Fächern oder zusätzlichen Betreuungsaufwand für förderbedürftige Schüler ausgleichen, existieren in Deutschland nicht. Einzig die unter bestimmten Voraussetzungen gezahlten Überstundenvergütungen honorieren den Extra-Einsatz. Ansonsten gilt nach wie vor das Senioritätsprinzip, und zwar sowohl für verbeamtete als auch für angestellte Lehrer: Wer älter wird, bekommt unabhängig von seiner Leistung mehr Gehalt. Und als Beamte sind deutsche Lehrer nicht kündbar. Im europäischen Ausland ist eine Verbeamtung auf Lebenszeit hingegen nahezu unbekannt. Fast ein Drittel der von der OECD befragten Lehrkräfte gab an, dass sie wegen schlechter Leistung entlassen werden könne. Ohne leistungsorientierte Prämien bei gleichzeitiger Unkündbarkeit fehlt es im deutschen Schulsystem an Anreizen für Lehrer zur Extraleistungen.

Arbeitsmarkt, Europa, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 1 Kommentar zu Prämie für Jobabbau

Prämie für Jobabbau

Frank Schäffler, Bundestagsabgeordneter und ÖkonomenBlog-Autor fasste seine Gedanken zum Abwrackprämie diese Woche auf dem Blog von antibuerokratieteam wie folgt zusammen:

 Es wird nun deutlich, welche Wirkung die Prämie hat: Bei einem Blick auf die Modelle mit dem größten Zuwachs bei den Neuzulassungen kommt unter den ersten 15 mit dem Ford Fiesta nur ein Modell aus Deutschland, die drei erstplatzierten werden in Indien (Hyundai i10), Polen (Ford Ka) und Frankreich (Peugeot 206) produziert. Laut Statistischem Bundesamt betrug der Umsatzrückgang bei Unternehmen, die sich auf Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen spezialisiert haben, 150 Millionen Euro. Die Unternehmensberatung Roland Berger prophezeit, nun drohe der Verlust von 90.000 Jobs in der Automobilbranche.

Dies zeigt mal wieder: Immer wenn der Staat in das Marktgeschehen direkt eingreift, schadet er mehr, als er nützt. Die Abwrackprämie hat lediglich ihren wirklichen Zweck, die Probleme auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verlagern, erfüllt.

Arbeitsmarkt, Bildung, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 3 Kommentare zu Wachstumschancen nicht genutzt

Wachstumschancen nicht genutzt

Konjunkturpakete: Ein Großteil der Investitionen von Bund und Länder hat kaum das Potential, das langfristige Wachstum in Deutschland zu steigern.

Um eine möglichst schnelle konjunkturelle Erholung der deutschen Volkswirtschaft zu fördern, hat die Bundesregierung im Rahmen der Konjunkturpakete öffentliche Investitionen von mehr als 23 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. DIW econ hat die bis einschließlich August 2009 bekannte Verwendung der vorgesehenen Mittel nun analysiert. Sind die realisierten Investitionen dazu geeignet, das langfristige Wachstumspotential der deutschen Wirtschaft zu erhöhen? Kann das Konjunkturpaket der anhaltenden Wachstumsschwäche entgegenwirken?

Die Studie kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Ein Großteil der Investitionen von Bund und Länder hat kaum das Potential, das langfristige Wachstum in Deutschland zu steigern.

Um die Wachstumswirkungen genauer zu untersuchen, wurden sieben wichtige Wachstumsfelder für öffentliche Investitionen identifiziert und anhand einer Indikatorenanalyse der konkrete Nachholbedarf Deutschlands im Vergleich zu den EU-15 ermittelt. Vor diesem Hintergrund erfolgt eine Zuordnung der im Rahmen der Konjunkturpakete geplanten und getätigten Investitionsmaßnahmen auf die einzelnen Aktionsfelder (siehe Abbildung).

Demnach werden 80% in die Bereiche Basis-Infrastruktur, Bildung sowie Energieeffizienz und Klimaschutz investiert. Betrachtet man die einzelnen Maßnahmen jedoch genauer, ergibt sich ernüchterndes Bild: Bei einem Großteil der Investitionen in den drei Bereichen handelt es sich um Maßnahmen zur Bestandserhaltung, von denen keine Wirkung auf das langfristige Wachstumspotential zu erwarten ist. Bezogen auf die insgesamt im Rahmen der beiden Konjunkturpakete vorgesehenen öffentlichen Investitionen bedeutet dies, dass nur etwa 30% davon tatsächlich die nach Gesetz erwünschten Zukunftsinvestitionen darstellen.

Besonders negativ ist das Verhältnis im Bereich Bildung. Lediglich 8% der Mittel sollen in Bildungsinhalte zur Erhöhung der Bildungsqualität investiert werden, während 92% für die Erhaltung und Sanierung der Bausubstanz von Bildungseinrichtungen vorgesehen sind.

Darüber hinaus wird die Allokation der verfügbaren Mittel auf die einzelnen Aktionsfelder insgesamt sowie die Allokation der verfügbaren Mittel auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene untersucht. Insgesamt zeigt sich eine unausgewogene Mittelverwendung. Einem zu starken Fokus auf Energieeffizienz und Klimaschutz sowie Basis-Infrastruktur steht die zu geringe Berücksichtigung von Gesundheit, Informationsgesellschaft und IKT-Infrastruktur gegenüber. Auf Ebene der Gebietskörperschaften lässt sich am ehesten auf der Länderebene eine ausgewogene Allokation der Investitionsmittel feststellen. Dies liegt vor allem an dem relativ starken Fokus auf Bildungsinhalte und Innovation.

Insgesamt bedeutet das: Es wurde eine Chance vertan, das langfristige Wachstumspotential in Deutschland nachhaltig zu erhöhen und so der anhaltenden Wachstumsschwäche entgegenzuwirken. Vielmehr scheinen die Mittel zur Abschwächung von Finanzierungsproblemen auf Ebene der Länder und Gemeinden verwendet zu werden. Nur so sind etwa die erheblichen Investitionen in den Gebäudebestand von Bildungseinrichtungen zu erklären, die eigentlich aus den laufenden Ausgaben der Länder zu finanzieren sind.


Dr. Ferdinand Pavel am 30. März: Konjunkturpaket – programmierte Geldverschwendung
Dr. Ferdinand Pavel am 22. Juni: Bildung kommt zu kurz! 
Wirtschaft soll wieder wachsen, 14. Januar:  Kommentare zum Konjunkturpaket II

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 1 Kommentar zu BaFin muss stärker werden

BaFin muss stärker werden

Zweifelsohne haben die Finanzmärkte turbulente Zeiten hinter sich. Nach einem Absturz, wie es ihn seit der Großen Depression von 1929 nicht mehr geben hat, erleben sie nun seit sechs Monaten eine Aufwärtsbewegung. Gleichwohl warnen Kritiker, dass die Politik bisher keine ausreichenden Konsequenzen aus dem historischen Einbruch gezogen hat. Wird das Kasino wieder eröffnet? Dankbar nimmt die Politik solche Angstszenarien auf, schließlich befinden sich die Parteien im Wahlkampf, und da wird jede Gelegenheit genutzt, um sich beim Volk zu profilieren. Es ist zwar einfach und populär, sich über die angebliche Gier der Banker zu echauffieren und die Bonusregelungen zu verdammen. Den Kern des Problems trifft man mit diesen Debatten aber nicht. Dem Finanzsystem muss durch eine schnelle Klärung der künftigen Rahmenbedingungen Stabilität verschafft werden.

Richtungweisend sind die vereinbarten Grundprinzipien der Londoner Konferenz vom 2. April: Alle Märkte, alle Akteure und alle Produkte des Finanzsystems sollten einer konsistenten Aufsicht unterworfen werden. Bedauerlicherweise hat es bisher keine konkrete Ausfüllung dieser Grundsätze seitens der Politik gegeben. Wichtig wäre es zudem, für die Finanzaufsicht Notfallpläne mit besonderen Instrumentarien für Krisenzeiten zu entwickeln. Denkbare Instrumente wären sowohl eine staatliche Zwangsverwaltung Not leidender Banken als auch ausgeweitete Befugnisse der Finanzaufsicht für den Eingriff in die Geschäfte solcher Häuser. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Bundesagentur für Finanzdienstaufsicht (BaFin) überhaupt in die Lage versetzt wird, ihrer Prüfungspflicht nachkommen zu können. Als problematisch erweist es sich, dass mit den Verdienstmöglichkeiten in der staatlichen BaFin kaum ausreichend qualifiziertes Personal zu finden ist. Können diese Personen doch in der freien Wirtschaft vielfache höherer Löhne erzielen.

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Arbeitsmarkt, Bildung, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 2 Kommentare zu Verschenktes Wachstumspotenzial

Verschenktes Wachstumspotenzial

Wachstumstreiber der deutschen Wirtschaft: Zuwanderung und qualifizierte Mitarbeiter.

Trotz des krisenbedingten Anstiegs der Arbeitslosigkeit steuert Deutschland langfristig auf einen Fachkräfteengpass zu. Eine qualifizierte Zuwanderung kann dazu beitragen, die Lücke langfristig zu schließen und sowohl das gesamtwirtschaftliche Wachstum als auch das Wachstum pro Kopf deutlich zu erhöhen. Denn Zuwanderer steigern mit ihrem Wissen und Fertigkeiten die Produktivität der Unternehmen. Umso höher die Qualifikation der Zuwanderer, umso größer der volkswirtschaftlich Nutzen. Doch in diesem Punkt hat Deutschland ein Problem. Das Qualifikationsniveau unter den Kindern von Einwandererfamilien ist im Vergleich zu einheimischen besonders niedrig. Jeder zweite 15-Jährige aus der zweiten Einwanderergeneration gilt in Deutschland als bildungsarm. Deutschland verschenkt dadurch zukünftige Wachstumsimpulse. Außerdem drohen soziale Probleme, wenn es nicht gelingt, das Bildungsniveau der Einwandererkinder zu steigern. Deswegen ist es notwendig, die frühkindliche Förderung und das Angebot an Ganztagsschulen auszubauen. Denn Studien zeigen: die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasiumsbesuchs bei Migranten steigt durch den Besuch einer Betreuungseinrichtung für unter Dreijährige um knapp 56 Prozent. Diese Chancen sollten wir nutzen.


Jeden Montag oder Dienstag werden im ÖkonomenBlog Beiträge aus der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ veröffentlicht, mit denen die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft nachgezeichnet und auf neue Herausforderungen hingewiesen wird. Eine umfassende Übersicht über Wohlstands-Parameter wie Einkommen, Vermögen, Lebensqualität und Bildungschancen finden Sie auf der Internetseite http://www.wohlstandsbilanz-deutschland.de/

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 1 Kommentar zu Total abgewrackt

Total abgewrackt

ÖkonomenBlog-Autor Andreas Freytag kritisierte bereits im März die Verlängerung der Abwrackprämie.

Das Sommermärchen der deutschen Automobilindustrie scheint ausgeträumt. Fünf Milliarden Euro sind verteilt, zwei Millionen alte Autos verschrottet und durch neue ausgetauscht. Was nun? Der Katzenjammer ist unüberhörbar. Nächstes Jahr wird der Absatz von Neuwagen rekordmäßig einbrechen, bei Herstellern, Händlern und Werkstätten werden zehntausende Arbeitsplätze verloren gehen.

„Man hat bei der Abwrackprämie nicht über Kollateralschäden nachgedacht. Gerade die Gebrauchtwagenhändler leiden unter der Prämie, aber auch andere Branchen wie etwa die Möbelindustrie, weil sich die Leute statt einer Schrankwand ein Auto kaufen“, sagte heute Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland der Welt. Ist das so? Haben die Akteure Argumente übersehen? Oder wollte man die ökonomische Analyse einfach nur nicht wahr haben?

Bereits im Januar sagte der Autobranchenexperte der Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer: „Die Abwrackprämie bringt für die Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie im Prinzip gar nichts. Vielmehr ist die Abwrackprämie ein Konjunkturprogramm für die Autowerke in Rumänien, Tschechien oder Italien, finanziert aus deutschen Steuergeldern.“ Und im März prognostizierte ÖkonomenBlog-Autor Prof. Dr. Andreas Freytag einen Absatzeinbruch für das Jahr 2010: „Insofern ist zu erwarten, dass die Krise in der Automobilindustrie nur verlängert, aber keineswegs gelöst wurde.“

Das Kernproblem fasst DIW-Chef Klaus Zimmermann heute nochmals in der Süddeutschen Zeitung treffend zusammen: „Mit der Abwrackprämie wurde eine Branche unterstützt, die nicht unter einem konjunkturellen, sondern unter einem strukturellen Problem leidet. Weniger der Preis hat die Deutschen bislang vom Kauf deutscher Autos abgeschreckt als vielmehr Größe oder Spritverbrauch eines Wagens.“ Die Bilanz: Ein Strohfeuer gesponsert von den kommenden Generationen, deren eigener Handlungsspielraum durch die gigantische Staatsverschuldung immer enger wird. Ein Konjunkturprogramm, das den Strukturwandel eher bremst und die Konjunktur im nächsten Jahr gleich auch noch in den Keller reist. Das ist doch total abgewrackt.

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 1 Kommentar zu Arme Zweitjobber gibt es kaum

Arme Zweitjobber gibt es kaum

Zweitjobber: Anteil in Prozent an allen Erwerbstätigen

Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen in Deutschland, die neben ihrem Hauptberuf einem regulären zweiten Job nachgehen. Von Anfang an wurde diese Entwicklung von den Gewerkschaften als Beleg für die Amerikanisierung des deutschen Arbeitsmarktes angesehen. Mit dem Gespenst einer „working poor“ lässt sich natürlich effektvoll Angst verbreiten. Um über die Runden zu kommen, müssten immer mehr Menschen im Nebenjob zusätzlich schuften. Für die USA mag dies zutreffen. Aber für Deutschland und fast alle europäischen Länder eben nicht.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt: Seit 1992 sind es nunmehr doppelt so viele, die neben ihrem Haupt- auch einen Nebenjob erfüllen: 1,4 Millionen Menschen. In Deutschland aber alles andere als ein Massenphänomen – das sind gerade einmal 3,7 Prozent aller Erwerbstätigen. Wer aber gehört dazu? Sind dies die Niedrigverdiener, die ohne eine Nebentätigkeit in die Armut rutschen? Die Zahlen belegen das nicht: Personen mit geringem Ausbildungsniveau sind unter den Zweitjobbern unterrepräsentiert. Zweitjobs sind vielmehr eine Domäne von Facharbeitern und Akademikern: Versicherungsvertretern, Professoren, Lehrern, Publizisten, Künstlern und Juristen.

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , 1 Kommentar zu Neue gerechte Mindestlöhne?

Neue gerechte Mindestlöhne?

20080313-FORM3-001_dl.psBisher gab es lediglich in sechs Branchen staatlich fixierte Lohnuntergrenzen. Seit gestern sind es drei Branchen mehr. Was aber soll das bringen? Mehr Gerechtigkeit? Weniger Armut? Oder doch eine neue Hürde beim Einstieg in Arbeit? Dr. Hagen Lesch sagt dazu: Nicht ein Mindestlohn, sondern aufstockende Transfers sorgen für mehr Lohngerechtigkeit und -zufriedenheit.

Die Mindestlohndiskussion bezog sich bisher vor allem auf die beschäftigungspolitischen Risiken. Die Frage der Lohngerechtigkeit wurde zwar auch aufgeworfen, aber auf zwei einfache Formeln reduziert: Mindestlohnbefürworter erhoffen sich von einem Mindestlohn mehr Gerechtigkeit, weil er das Problem “arm trotz Arbeit” lindert. Mindestlohngegner verweisen darauf, dass Mindestlöhne für Geringqualifizierte den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren und deshalb ungerecht seien. Sie plädieren dafür, niedrige Markteinkommen durch staatliche Transfers, also über das Arbeitslosengeld II, aufzustocken.

Diese enge Sichtweise ist erstaunlich, weil doch gerade die Mindestlohndiskussion Anlass geben sollte, tiefer darüber nachzudenken, was die Wahrnehmung von Lohngerechtigkeit beeinflusst. In der ökonomischen Theorie wird abseits der Neoklassik längst anerkannt, dass Lohn und Arbeitsleistung in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Einerseits bestimmt die Produktivität den Lohn, andererseits wirkt der Lohn auf die Arbeitsleistung und damit auf die Produktivität zurück. Vor diesem Hintergrund mag es geradezu zwingend erscheinen, durch einen gesetzlichen Mindestlohn für mehr Lohngerechtigkeit zu sorgen. Ein gerechterer Lohn finanziert sich über eine höhere Arbeitsmotivation fast von selbst.

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